Wenn ein Mensch plötzlich im Sterben liegt oder eine lebensverkürzende Erkrankung diagnostiziert wurde, ist das für Betroffene und Zugehörige ein enormer Schockmoment. Hinzu kommen Sorge, Hilflosigkeit und manchmal auch das Gefühl, nicht vorgesorgt zu haben und nichts mehr tun zu können. Was die sofortige Unterstützung von Sterbenden und indirekt Betroffenen angeht, klafft in Deutschland zurzeit noch eine riesige Versorgungslücke. Menschen sterben während Corona alleine, diese Meldung ist aktuell an vielen Orten bekannt.
Aktuelle Studien* belegen, dass dies nicht zwingend ein Phänomen ist, welches nur durch die Pandemie hervorgerufen wird. Bereits 80 Prozent aller Menschen starben bereits vor den Hygienebestimmungen nicht so, wie sie es sich wünschten. Das sind über 750.000 Personen im Jahr. Über 94.000 Personen, also rund 10 Prozent der Todesfälle, waren bei ihrem Tod allein, unbegleitet und ohne Angehörige oder Familie.
Aktuell werden diese Zahlen höher sein und es darf, nein soll, hier dringend bedacht werden, dass hinter jeder Zahl ein Mensch mit seinen Zugehörigen und einer persönlichen Geschichte steht. Es geht hier aber nicht um Einzelschicksale, denn demografiebedingt wird diese Tatsache zukünftig weiter bestehen und sogar zunehmen.
Doch:
Wie können wir das verändern?
Wo bereits im Hier und Heute, persönliche Unterstützung ermöglichen und neue Angebote schaffen?
Ist es an der Zeit, technische Hilfsmittel so einzusetzen, dass wir Menschlichkeit leben können?
Berühren hat nicht immer etwas mit Anfassen zu tun
Am Lebensende geht es oft um wenige, einfache Dinge. Besonders in diesen Zeiten, in denen vielerorts keine Hospizbesuche möglich sind, ist es noch wichtiger, den Kontakt zu halten. Doch wie kann dies momentan stattfinden, wie können wir uns sehen und dennoch die aktuellen Bestimmungen einhalten?
Ein Hilfsmittel kann der Leitfaden zur digitalen, virtuellen und hybriden Sterbebegleitung sein, welcher in einem interdisziplinären Team erarbeitet wurde und der vor allem als Hilfe zur Selbsthilfe für Angehörige und Zugehörige von medizinisch isolierten, sterbenden Menschen dient. Damit trotz widriger Umstände für alle Beteiligten ein möglichst friedvoller Abschied voneinander stattfinden kann.
Auszug aus dem Leitfaden:
Mit dem Leitfaden konnten Stand heute bereits mehr als 27.600 Menschen erreicht und über 2.250 Interaktionen realisiert werden. Es ist hilfreich diese Vorschläge und Möglichkeiten bereits möglichst frühzeitig zu durchdenken, um sie dann im Bedarfsfall angepasst an die individuellen Umstände passend umzusetzen.
Die frühzeitige Frage nach den persönlichen Lieblingsliedern des Sterbenden kann sehr wertvoll sein. Wenn sich der Zustand des Sterbenden verschlechtert, kann mit dem Abspielen der Musik auf unterbewusster Ebene eine Verbindung zueinander und zu den schönen Lebenserinnerungen aufrechterhalten werden.
Weitere Möglichkeiten und wichtige Aspekte der virtuellen und digitalen Begleitung Sterbender können sein:
Anbieten am Telefon, im Messenger oder Videochat nur da, präsent zu sein, wenn der Sterbende zwar seine Ruhe haben und trotzdem nicht alleine sein möchte.
Gemeinsam über den Tod hinaus denken: Was kommt danach? Wenn wir auch nicht wissen was danach kommt, wie stellen wir es uns im Idealfall vor? Wie können und wollen wir über den Tod hinaus in Verbindung bleiben? (Liebe)
Anregungen für ein positives Bild des Jenseits geben oder auch die Möglichkeiten einer umfassenden Befreiung dadurch, dass “nichts” mehr kommt, besprechen. Sorgen besänftigen und Lasten von den Schultern nehmen. Dinge, die uns sonst davon abhalten beruhigt einzuschlafen, halten auch vom friedlichen Sterben ab. Oft sind es nur kleine und banal scheinende Dinge, an die sich Sterbende klammern und bei denen das Wissen darum, dass sich jemand kümmert, eine große Erleichterung bedeuten.
Anzeichen für nicht körperliche Schmerzen, die gezeigt werden, darf man ruhig gemeinsam thematisieren. Die Ermutigung sie sich einzugestehen kann ein erster Schritt sein, um zu versuchen gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Das kann der Trennungsschmerz von geliebten Menschen, von sinnlichen Erlebnissen oder von lieb gewonnenen Gewohnheiten sein. Sorgen um andere Menschen, Ungewissheit, Angst vor Bestrafung und ein schlechtes Gewissen, Menschen und Ereignisse, mit denen man sich nicht versöhnen konnte gehören möglicherweise auch dazu.
Zusichern, dass Ängste, Trauer und eigener Abschiedsschmerz normal sind, man sie nicht verdrängen muss und ihnen ihren eigenen Raum schenken darf.
Zuversicht schaffen, dass sich im Sterben in einer Nachbetrachtung des Lebens Gründe für Dinge offenbaren, sich tiefere Zusammenhänge erschließen, die vorher nicht ersichtlich waren. Helfen den Blick auf das Große Ganze zu richten und eine Perspektive auf Frieden mit sich und dem eigenen Leben schaffen.
Die große Vision
Kein Mensch soll einsam sterben müssen.
Tim Komischke erklärt: “Die Begleitung von hilfesuchenden Menschen – inklusive den Zugehörigen – soll über den SterbeNotruf per Telefon, Online und persönlich vor Ort erfolgen, um möglichst niedrigschwellige Hilfe anbieten zu können.
Mit dem SterbeNotruf Deutschland soll die akut bestehende Versorgungslücke zwischen der aktuellen Notfallhilfe mit dem medizinischen Notruf 112, dem Notarztwagen-System und der punktuellen Unterstützung durch Psychosoziale Notfallversorgung oder TelefonSeelsorge geschlossen werden. Das betrifft sowohl die Notfallhilfeorientierte Begleitung von sterbenden Menschen als auch die kurzfristige, konkrete und direkte Unterstützung von begleitenden und trauernden Zugehörigen.
Durch den hybriden Ansatz soll auch dort erreicht werden können, wo aufgrund der regionalen Versorgungslage bisher nur sehr schwer oder gar nicht begleitet werden konnte. Ebenfalls ist somit eine Begleitung in der aktuellen Corona-Situation möglich.
Denn aktuell können noch mehr Menschen aufgrund medizinischer Isolation und der Umsetzung von Hygienevorschriften in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen nicht begleitet werden und sterben in der Folge einsam.
Trauer in der heutigen Zeit
Auch können Angehörige und Zugehörige nicht in der gewohnten Form Abschied nehmen und trauern. Das ist für die folgende Trauerzeit mit erheblichen Schwierigkeiten für alle Betroffenen verbunden. Jeder Verstorbene mit Zugehörigen hinterlässt durchschnittlich 10 Menschen, die um ihn trauern. Das sind 8.460.000 Betroffene pro Jahr.
Jeden Tag beginnen 23.100 Menschen zu trauern. Akute, alltagseinschränkende Trauer kann um die vier 4 Jahre anhalten. Unbegleitet verlängert sich dieser Zeitraum oft noch erheblich. Dabei beginnt die Trauer nicht erst, wenn ein Mensch verstorben ist, Die Zeit des Hoffens und Bangens um das Leben eines vertrauten Menschen gehört zur Trauer bereits dazu. Unbegleitet ist sogar die Entwicklung Posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) dadurch vermehrt möglich.
Auch für Menschen, die eine gescheiterte Reanimation oder ähnlich belastende Situationen erleben mussten, kann qualifizierte psychosoziale Unterstützung gewährleistet werden. Belastende Situationen entstehen bei allen, die Menschen in Extremmomenten begleiten (reanimieren), wie auch für Menschen, die einen Aufenthalt in intensivmedizinischer Behandlung hinter sich haben oder reanimiert wurden. Das sind für alle Beteiligten große Herausforderungen.
Der Helferpool, der jetzt bundesweit in Einsatz gehen soll, besteht aus über 1.000 qualifizierten Sterbe- und TrauerbegleiterInnen.
Der Ablauf
Sterbende Menschen finden den SterbeNotruf über das Internet oder sind bereits von ihrer Hausärztin, Apothekerin, ihrem Pflegedienst durch Empfehlung oder Mundpropaganda über das Hilfsangebot informiert worden. Sie erreichen den SterbeNotruf einfach telefonisch oder über das Internet und erhalten direkt konkrete Unterstützung und Begleitung über Telefon oder Videotelefonie. Auf Wunsch wird auch möglichst zeitnah eine qualifizierte Begleitung vor Ort organisiert, die dann den weiteren Verlauf begleitet.
Medizinisches Personal und Pflegekräfte können Unterstützung durch den SterbeNotruf zur persönlichen Entlastung in ihren Einrichtungen anfordern. Einsam sterbende Menschen oder zugehörige Menschen werden durch Pflegekräfte über den SterbeNotruf informiert. Es erfolgt dann ein telefonischer Erstkontakt, bei Bedarf mit sofortiger fernmündlicher Unterstützung und einem persönlichen Besuch, je nach Notwendigkeit und Dringlichkeit, im Idealfall direkt, spätestens am Folgetag.
Angehörige und Zugehörige erhalten direkt telefonisch oder per Videokonferenz Unterstützung bei der Begleitung eines nahen Menschen und können auch zeitnahe Hilfe vor Ort anfordern.
Der Anspruch
Berührend, kompetent, rund um die Uhr – mit diesem Anspruch digital, virtuell und hybride zu begleiten, erfordert einen großen personellen und organisatorischen Einsatz sowie professionelle Strukturen.
Gemeinsam arbeitet der SterbeNotruf mit all seinen Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten daran, Wege für eine neue virtuelle, digitale und hybride Sterbekultur und Trauerkultur zu bereiten und Verbindungen zwischen Menschen wiederherzustellen oder, wo sie abgerissen sind oder bisher unmöglich schienen, ganz neu zu schaffen.
Die Lösungen werden dabei von einem multikulturellen Team verschiedener Glaubensrichtungen entwickelt, das gemeinnützig sowie politisch, religiös und weltanschaulich vollkommen neutral und unabhängig zusammenarbeitet.
Hintergrundinformationen
Die Umsetzung der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen wird unterstützt und SterbeNotruf ist offizieller Teil des WirVsVirus Solution Enabler und OpenSocialInnovation Programms unter der Schirmherrschaft von Prof. Dr. Helge Braun, Chef des Bundeskanzleramtes der Bundesregierung.
Das interdisziplinäre Team besteht aus
Sterbebegleiter:innen, Sterbeammen und Sterbegefährten, Koordinator:innen Ambulanter und Stationärer Hospizdienste, Social Entrepreneur:innen, Doktorand:innen der Theologie, Notfallsanitäter:innen, Mediziner:innen, Gruppenführer:innen im Katastrophenschutz, Krankenpfleger:innen, Student:innen der Psychologie, Sozialarbeiter:innen, Pädagog:innen, Berater:innen und Coaches aus Deutschland und der ganzen Welt, die zusammen die virtuelle, digitale und hybride Begleitung von Sterbenden und Trauernden neu kreieren und umsetzen wollen.
Wer ist Tim Komischke?
Sterben, Tod und Trauer, der Hamburger Tim Komischke kennt das seit über 11 Jahren sehr genau. Damals erschütterte ein tragischer Todesfall im beruflichen Umfeld sein Leben und seine Arbeit so sehr, dass er anfing sich intensiv mit den Auswirkungen auf Unternehmen, Institutionen, Organisationen und insbesondere den betroffenen Menschen auseinanderzusetzen.
Als ihn die schrecklichen Meldungen aus Italien erreichten, in denen über Menschen berichtet wurde, welche anhand einer Triage nicht mehr kurativ behandelt werden konnten, sondern nur noch Morphium zur Linderung ihrer Beschwerden bekamen und die Pflegefachkräfte und Ärzte darum anflehen mussten, noch einmal mit ihren Zugehörigen telefonieren zu dürfen, um nicht einsam und alleine sterben zu müssen, war das der Punkt, an dem für ihn alles anders wurde. Es war ihm direkt klar, dass sich jetzt etwas verändern muss. Gleichzeitig schöpfte er den nötigen Mut, um das Projekt anzugehen, was sein ganzes Leben veränderte. Der 41- jährige will mit dem gemeinnützigen Hilfsprojekt die Notfallhilfe-Landschaft in Deutschland revolutionieren.
«Mit Sterben, Tod und Trauer müssen wir uns alle zwangsläufig irgendwann einmal in unserem Leben auseinandersetzen. Spätestens mit dem eigenen Tod ist das Thema dann unvermeidlich. Rund 10.000 Euro geben die Menschen in Deutschland durchschnittlich für ihre eigene Beerdigung aus. Daran zu denken, in eine möglichst friedvolle eigene Vollendung des Lebens etwas zu investieren, tun nur die Wenigsten.»
Tim Komische ist einer der führenden Experten für digitale, virtuelle und hybride Sterbe- und Trauerbegleitung in Deutschland. Als staatlich geprüfter Kommunikationswirt, Berater, Speaker, Coach, Sterbebegleiter und Geschäftsführer der ENTELES gemeinnützige GmbH i.G., dem Träger des SterbeNotruf Deutschland brachte er 2006 das weltweit größte Unternehmernetzwerk für Geschäftsempfehlungen Business Network International nach Hamburg und Norddeutschland.
Als Regional und Executive Director hat er bis 2018 hunderte Führungskräfte und Geschäftsführer:innen, vor allem von kleinen und mittelständischen Unternehmen, dabei geschult und unterstützt, untereinander Potentiale und Synergien zu entfalten, wertvolle Verbindungen zu schaffen und möglichst effektiv und effizient zu nutzen.
Von anderen Expert:innen aus dem Bereich der Trauer- und Sterbebegleitung hebt Tim Komischke sich vor allem durch seinen weitreichenden Erfahrungshorizont ab und bringt einen ausgesprochen vielfältigen Werdegang mit. Seine Expertise erwarb er sich in den letzten Jahrzehnten vor allem als Wegbegleiter von kleinen und mittelständischen Unternehmen, ebenso wie von Unternehmerpersönlichkeiten und Führungskräften. Das Ziel, noch erfolgreicher zu werden, sowie der konstruktive Umgang mit wirtschaftlichen und persönlichen Krisen standen dabei im Zentrum seines Wirkens.
CrowdFunding
Für die praktische Umsetzung und die technische Realisierung des SterbeNotrufs sowie zur Ausgründung eines gemeinnützigen Trägers für den langfristigen und nachhaltigen Betrieb, hat der SterbeNotruf Deutschland eine Crowdfunding Kampagne gestartet, mit der sich jeder am Aufbau beteiligten kann.
Mit der Unterstützung werden nicht nur akut und aktuell Betroffene unterstützt, sondern auch in eine Zukunft investiert, in der jeder Einzelne selbst einmal vom erfolgreichen Aufbau dieses bundesweiten Notfallhilfe-Projekts profitieren kann.
Gefördert wird das ganze zusätzlich durch den #WirVsVirus Matching Fonds über den für jeden Euro Unterstützung zusätzlich +25% Bonus-Förderung mit in das Funding gehen.
Für zum Beispiel 20 Euro Unterstützung stehen dem Projekt damit automatisch 25 Euro für die Umsetzung der Vision zur Verfügung.
Unterstützt werden kann das Hilfsprojekt über www.SterbeNotruf.de oder direkt auf www.Startnext.com/SterbeNotruf.
*Quellen: Kombination der Erkenntnisse des DAK Pflegereports und der Körber Stiftung Studie