Trauer.
Was ist Trauer? Was assoziierst du mit diesem Begriff
Sollte dir jemand diese und ähnliche Fragen stellen, so werden dir mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Begriffe und Situationen wie Tod, das Ende vom Leben und alte, sterbende Menschen in den Sinn kommen. Vielleicht denkst du auch an einen lieben Menschen, der bereits aus dem irdischen Leben geschieden ist. All diese Gedankengänge sind absolut berechtigt und entstehen so oder so ähnlich bei einem Großteil der Personen, die man fragen würde.
Doch bei mir ist das anders!
Natürlich assoziiere ich auf der einen Seite die gleichen Aspekte, doch wenn ich an Trauer denke, dann denke ich auch an den Anfang des Lebens.
Ich denke an Lieben und zu aller erst denke ich an kleine Kinder. Genau genommen denke ich an ein kleines Kind: Mein kleines Kind.
Ja du liest richtig. Höre ich Trauer so (ge)denke ich an meinen Sohn, Charlie, denn bei ihm lagen der Anfang und das Ende des Lebens viel näher beieinander als du es dir vielleicht vorstellen kannst.
Außerhalb meines Körpers konnte ich Charlie nie das Leben schenken und damit kommen wir zum Hintergrund des Artikels.:
Mein Sohn Charlie starb am 22. April und ich brachte ihn am 23. April in einer ganz „normalen“ Geburt zur Welt, somit hatte mein eigenes Kind noch bevor es Geburtstag feiern konnte seinen Todestag erreicht. Und so kam es, dass obwohl er 17 Wochen lange existiert hat, lediglich 5 Menschen meinen Charlie kennenlernen durften, und mein eigenes Kind für den Großteil der Menschheit nicht existiert hat.
Mir geht es nun darum meine Mitmenschen im Umgang mit solch schweren Verlusten beziehungsweise mit den Trauernden zu sensibilisieren, denn ganz schnell hat man ungewollt sehr verletzende Worte gewählt, von denen man dachte, sie würden der Mutter und dem Vater ohne Kind an der Hand helfen.
So begegnen auch mir immer wieder „aufmunternde“ Phrasen wie: „Es war eben noch zu klein.“, „Es hat eben nicht sein sollen“, „Du bist noch so jung, du kannst noch viele andere Kinder bekommen.“, „Vergiss ihn einfach, das tut doch nur weh.“
Wie denkst du über diese Sätze? Ich kenne zahlreiche Menschen, die solche Aussagen unterstreichen und mir erklären, dass das doch nur gut gemeint sei.
Für mich sind diese „Aufmunterungen“ aber alles andere als hilfreich und gut gemeint. Ich denke, das kann ich dir am besten anhand eines Beispiels erklären:
Stell dir nun einmal einen jungen Mann vor der durch die Folgen eines Unfalls in seinen Flitterwochen verwitwet.
Tröstest du ihn nun damit, dass er ja noch jung ist und sich noch so viele neue Frauen suchen kann? Unterstützt du ihn mit dem Rat, dass er die Liebe seines Lebens am besten vergessen sollte, da die Erinnerung ja nur schmerzt? Und munterst du ihn dann auch noch damit auf, dass die Ehe ja gerade erst frisch geschlossen wurde und er ja noch gar nicht richtig mit ihr verheiratet war? Nein? Gut das beruhigt mich!
Aber nun denken wir doch nochmals zurück an meinen Charlie und die Aufmunterungen zu seinem Tod.:
Darf ich mein Kind nicht vermissen, weil es ja gerade einmal 17 Wochen existierte, bevor es starb? Diese 17 Wochen waren aber geprägt von Liebe, von der Faszination zu spüren wie in mir ein Mensch heranwächst.
Soll ich noch fünf andere Kinder bekommen, die vielleicht alle etwas mit Charlie gemeinsam haben, um ihn dann zu ersetzen? Nein!
Als ich Charlie geboren habe, war er zwar gerade einmal 10,4 cm groß, doch er war ein unfassbar hübscher klitzekleiner und vor allem perfekter Mensch. So könnte ich noch zehn weiteren Kindern eine Mutter sein; mein Charlie wird immer mein erstgeborener Sohn sein.
Bitte versteh mich nicht falsch, ich möchte dich nicht dazu animieren meinen Charlie in dein Leben zu integrieren, mein Ziel ist es dich zum Nachdenken anzuregen.
Für viele existieren sogenannte Sternenkinder nicht und damit verletzen sie, wenn auch ungewollt, aber doch merkbar die Eltern, die Mamas und Papas der toten Kinder. Für uns sind unsere Kinder immer präsent und der Schmerz ist unbeschreiblich, auch wenn wir unsere Kinder nicht lange bei uns hatten lieben wir sie wie jede Mutter und jeder Vater seine Kinder liebt.
Auch in Zukunft nehme ich dich hiermit in mein Leben als Mutter ohne Kind an der Hand.
Ich bin wahnsinnig dankbar hier die Chance zu haben euch da draußen etwas zu den Themen Sternenkinder, Totgeburt, verwaiste Eltern, …aus der Sicht einer Betroffenen zu erzählen, denn diese sind in unserer Gesellschaft nach wie vor große Tabuthemen, obwohl hiervon viel mehr Familien betroffen sind, als du denkst, dazu aber mehr in meinen nächsten Artikeln.
Vielen Dank fürs Lesen und bis bald,
Marla Tegen
Marla Tegen
Auf meinem Instagram Account @marlategen berichte ich regelmäßig über mein Leben, als Sternenmama. Vielleicht hast du Lust einmal vorbeizuschauen. Ich würde mich freuen.