Über den oder die Tod, existieren weltweit ganz unterschiedliche Bilder. Mal der Sensenmann, dann Göttin oder Engel des Todes. Neben den kulturellen Charakteristika, fällt aber vor allem auf, dass es offensichtlich nicht das eine Geschlecht für den Tod gibt. Woran liegt es also, dass in manchen Kulturen und Epochen, Literatur, Folklore und Kunst der Tod als Mann und in anderen als Frau dargestellt wird?
Warum ist bei uns zum Beispiel der Sensenmann ausgerechnet ein Mann? Das Wort „Tod“ würde uns theoretisch auch erlauben, es uns auch weiblich vorzustellen. Aber das tun wir nicht. Dabei wird die Todin in Mexiko als Göttin dargestellt und ist in der Kunst und Literatur des französisch-, spanisch- und italienischsprachigen Raumes keine Seltenheit. Die spätmittelalterlichen Fresken im Camposanto in Pisa zum Beispiel, zeigen den Tod, indem Fall eine Frau mit Sense, mit lederartigen Flügeln, die aus dem Himmel herabstürzt. In der Bibel gibt es den Engel des Todes, eine männliche Figur und Baudelaire stellte in ‚Danse Macabre‘ den Tod als Frau dar. Es gibt weitere zahlreiche Beispiele, die den Tod sowohl als Mann, wie auch als Frau darstellen.
Wie sehen wir den-die Tod?
Eine gute Frage, wenn es um ein Bild geht. Niemand, der ihm oder ihr tatsächlich ins Auge gesehen hat, kann uns davon berichten. Wir müssen dafür unsere eigene Vorstellungskraft bemühen.
Aber warum visualisieren wir Menschen überhaupt den Tod, als ob etwas von solcher Bedeutung personifiziert werden müsste? Das liegt schlicht und ergreifend in unserer Natur. Visualisierungen dienen uns, komplexe Zusammenhänge zu ordnen, für uns greifbar und emotional handelbar zu machen. Das Bild hängt aber auch von unserer Herkunft ab, denn unsere Sprache gibt das Geschlecht vor. Im Englischen ist es der Grim Reaper, wie bei uns ein Mann, aber sobald man in die romanischen Sprachen eintaucht, ist es die Todin. Bei uns heißt es also „der“, aber in Französisch, spanisch und italienisch ist es „die“ Tod. Und auch im slawischen Sprachraum, gibt es einige Volkserzählungen, indem der Tod, als Frau mit Sense beschrieben wird. Weltweit gibt es aber so ziemlich ein gleiches Maß an männlichem und weiblichem Tod
Es liegt also an der Sprache?
Dieses quasi Problem kennt nicht nur das Wort Tod, sondern auch die Sonne und der Mond. Im Lateinischen ist auch die Sonne – Sol, männlich und der Mond – Luna, weiblich. Da hilft ein klitzekleiner Blick in die Wissenschaft.
Es gibt in der Sprachwissenschaft einen Erklärungsansatz, dass alle aktiven, heftigen, aggressiven und ähnlichen Begriffe mit “männlich” assoziiert werden, alle sanften, ausgeglichenen, passiven, … mit “weiblich”. Es ist richtig, es existieren augenscheinliche Gegenbeispiele, da der Tod zweifellos ein Begriff ist, dem man Aggressivität zuordnet und deshalb, nach dieser Theorie männlich sein müsste.
Aufgrund dieser Sprachordnung sind bestimmte Bezeichnungen und Wörter überwiegend – aber nicht ausschließlich – dann dem Männlichen und andere – ebenso mit Ausnahmen – dem Weiblichen zugerechnet worden. Davon ausgehend kann man wohl sagen, dass es auch Zufall ist, welches „Geschlecht“ einem abstrakten Begriff wie “Tod” in der einzelnen Sprache zugeordnet wird. Dass die entsprechenden allegorischen Figuren einen Mann bzw. eine Frau darstellen, ist nur eine Konsequenz daraus und keine Ursache.
Die späteren romanischen Sprachen, wie Spanisch, Italienisch und ähnliche haben die Systematik offensichtlich übernommen. Darüber hinaus gibt es durchaus große internationale Unterschiede, wie „Geschlechter“ in anderen Sprachen angewendet werden bzw. ob es diese überhaupt gibt.
Wie erleben wir Menschen dann den oder die Tod-in?
Es gibt nur sehr wenige Beweise, die darauf hindeuten, wie jemand den Tod an sich erlebt, aber es gibt einige Hinweise darauf, dass Männer und Frauen das Sterben unterschiedlich erfahren.
Eine häufig genannte und weltweit existierende „Weisheit“ über das Lebensende besagt, dass Menschen so sterben, wie sie gelebt haben. Dies ist, wie bei den meisten populären Weisheiten, eine Vereinfachung und nicht universell korrekt, aber es hat natürlich eine gewisse Gültigkeit.
Selbstverständlich existieren viele, viele Ausnahmen und individuelle Variationen, doch im Allgemeinen ist die Sicht, dass Frauen eher ihr Leben um Beziehungen herum organisieren und dabei viel Energie darauf verwenden, diese aufrechtzuerhalten und zu stärken. Männer hingegen, um ihre individuellen Ziele und Identitäten zu behaupten und ebenfalls zu stärken. Sie gelten als handlungsorientierter, die sich darauf konzentrieren eine Person oder einen Sachverhalt zu verstehen oder auf das Wissen, das erforderlich ist, um ihr Ziel zu erreichen.
Die wenigen Studien, die sich mit dem Geschlecht in der Erfahrung des Sterbens befassten, haben ähnliche Unterschiede ergeben. Frauen konzentrieren sich am Ende ihres Lebens besonders auf Beziehungen, sie zu pflegen, aufrechtzuerhalten, Probleme noch zu lösen, zu reparieren – ihre Angelegenheiten in Form von persönlichen Vermächtnissen und Äußerungen zu verknüpfen. Männer dagegen, persönliche Angelegenheiten in Form von Eigentum, finanzielle Aspekte und Verantwortlichkeiten zu regeln.
Eine ebenfalls oft genannte Weisheit besagt, obwohl es wahrscheinlich nicht empirisch beweisbar ist, dass Frauen genau deswegen, bis nach Geburtstagen, Jubiläen oder Feiertagen “warten”, um zu sterben; während Männer kurz vorher auschecken, weil alles getan ist.
Es gibt noch viel über geschlechts- bzw. menschspezifische Aspekte des Sterbens zu lernen. Die eröffneten und bekannten Einblicke können aber schon vorher – also im Leben dabei helfen, Menschen individuell und direkter anzusprechen, wenn es darum geht Unterstützung und/oder Pflege anzubieten.
Im Endeffekt geht es wohl auch nicht nur um das Geschlecht eines Wortes, sondern um dessen Bedeutung,
Und was den Tod oder die Todin angeht, hier ein crazy Vorschlag: Nehmen wir doch die Freiheit an, sie oder ihn so zu sehen, wie es die Situation, die Geschichte, die Kunst oder ganz profan, unser Gefühl gerade braucht.
Es ist ein Verlust … Trauer darum!
Bo Hauer www.naturheilpraxis-wm.de und www.praxisammarienplatz.de