In meiner Vision, wie ich am besten Menschen darin unterstützen kann, sich wieder besser und glücklicher zu fühlen, gab es schon immer einen Hund. Weshalb? Weil ich schon lang selbst einen Hund haben wollte! Und wenn es mir und meinem eigenen Wohlgefühl nützt – dann ergeht es ja anderen vermutlich auch so.
Die Anwesenheit eines Tieres verändert das Raumklima. Sie erzielen durch ihre Fähigkeit, unvoreingenommen im Hier und Jetzt zu sein eine beruhigende Wirkung. Sie scheinen auf die Vergangenheit keinen großen Wert zu legen. Ganz anders als wir Menschen, die wir uns immer zu einem Großteil auch durch das Erlebte definieren. In der Hundeerziehung stehe ich hinter der Theorie der positiven Bestärkung; das heißt, dass der Hund in Momenten, in denen er sich richtig verhält, besonders gelobt wird. Negative Erfahrungen, von denen meine Hündin Daisy als Tierschutzhund sicher schon einige erlebt hat, werden mit neuen positiven überspielt. Für den Hund zählt in erster Linie die Intention, die wir ihm im jetzigen Moment entgegenbringen. Er denkt nicht an gestern oder an morgen. Diese Form der Achtsamkeit inspiriert und fasziniert mich und manches Mal ertappe ich mich dabei, wie ich ein wenig neidisch werde, wenn ich meine kleine schwarze Gefährtin streichle, da sie sich nicht mit so vielen Gedanken und Gefühlen herumschlagen muss. Sie arbeitet keine überladene to-do-list ab. Sie ist nur im Moment.
Aber genug des Neides – immerhin kommt mir die Fülle des Menschseins auch viel Schönes in unsere Leben in Form von Intelligenz, Selbst-Bewusstsein und Selbstreflexion. Aber diese Dinge haben eben auch ihre Schattenseiten. Freude wechselt sich mit Leid ab. Die Schau nach innen scheint manchmal bodenlos. Einschneidende Ereignisse wie der Tod einer geliebten Person oder das Ende einer Beziehung, alle unsere großen und kleinen Verluste bringen uns Schmerz.
Ich bin der Meinung:
Niemand muss sich seinem Herzschmerz allein stellen.
In der Trauerbegleitung wird ein geschützter Raum geschaffen, in dem du dich öffnen kannst und dein Thema gemeinsam beleuchtet wird. Ausgesprochenes, oder manchmal auch unausgesprochenes Ziel ist dabei stets: Linderung. Dass es leichter geht, dass es weiter geht. Wie es weiter geht und wie du dich besser fühlst.
Dabei zeigt sich natürlich deutlich, dass unsere Seele nicht einfach so mit der Vergangenheit abschließen kann – und es auch überhaupt nicht muss. Unsere Verluste und die daraus resultierenden Schmerzen können wir fühlen und ausleben und auch verwandeln in eine Kraft, die antreibt. Ich habe noch nie mitbekommen, dass jemand seine Trauer oder seinen Liebeskummer komplett ausgelöscht haben will – gehört das doch zu einer Person und ihrem Erfahrungsschatz fest dazu. Nur erträglicher soll es eben sein.
Zur Trauerbegleitung gibt es kein Berufsbild mit festen Kriterien, wie man sein Angebot oder seine Räumlichkeit zu definieren hat. Hier kann ich mich mit all meinen Ideen eigenständig austoben. Zu unterschiedlichen Trauernden passen unterschiedliche Trauerbegleitungen.
Auch mit dem Ausnahmezustand der Pandemie hat sich für mich eine gemischte Arbeitsweise bestehend aus Telefonaten, Online-Begleitungen und Spaziergängen in der Praxis bewährt. Und gerade beim gemeinsamen Trauerspaziergang stellt meine Hündin Daisy eine Bereicherung dar.
Daisy – Assistentin auf vier Pfoten
Meine achtjährige Mischlingsdame habe ich aus dem Tierschutz. Ihre anfangs ängstliche Art ist mir in kurzer Zeit gelungen zu transformieren: Mit viel Liebe, Feingefühl und noch viel mehr Geduld. Sie ist nach wie vor von der eher zurückhaltenden Sorte und doch mittlerweile deutlich neugieriger und forscher. Sie ist gehörig und genügsam, flauschig und drollig anzusehen – Eigenschaften, die ihr sanftes Wesen gut herausstellen.
Sie ist in keiner Weise speziell ausgebildet. Sie ist einfach nur als meine Hündin in der Begleitung anwesend. Und schafft es allein dadurch, eine besondere Begegnung zu ermöglichen.
Welche Beobachtungen ich in der Trauerbegleitung mit Hund mache
Diese besondere Grundstimmung führe ich auf verschiedene Beobachtungen zurück.
Allein schon die Kontaktaufnahme, also ein vorsichtiges Annähern und Beschnuppern seitens Daisy und gegebenenfalls auch ein freundschaftlich-auffordernder Stups, zeugt von einer absoluten Unvoreingenommenheit, anders als in einigen zwischenmenschlichen Begegnungen. Die Berührung ihres weichen, warmen Fells wirkt beruhigend. Bei offenen, tierlieben Menschen entsteht augenblicklich ein zartes Band von Zuneigung.
Auch an meinem eigenen Verhalten gegenüber Daisy können meine Trauernden vieles ablesen. Meine Wertschätzung und sanfte Kontrolle über die Hündin schafft einen Augenblick voll Sicherheit, in dem sie sich wohlfühlen und dadurch öffnen können. Sie merken; hier kann ich sein, wer ich bin.
Beim gemeinsamen Spaziergang zeigt sich eine weitere Besonderheit: Bei Wunsch darf der Hund geführt werden. Das Führen eines Hundes erdet dich wie fast nichts anderes auf dieser Welt. Es bleibt einem gar nichts anderes übrig, als mit ihm im Moment zu sein, auf ihn zu achten, auch mal stehen bleiben zu müssen, an der Stelle zu verharren – und sich manchem stellen zu müssen.
Führung ist Achtsamkeit und Bestätigung, Umgebung wahrnehmen und einschätzen lernen und bedingungslose Annahme.
Welche Themenfelder ein Hund im Trauergespräch öffnet
Wie von selbst gestalten sich mit der Anwesenheit von Daisy die Gespräche. Oft wird vom ersten eigenen Haustier und der damit einhergehenden Erfahrung des Trauerprozesses um dessen Tod berichtet. Auch die Trauer um ein Tier darf gelebt werden – und niedrigschwelliger und mitfühlender als im Austausch mit einer Tierbesitzerin geht es kaum! Sogar die Trauer von Tieren selbst wird gern angerissen, erzeugt Empathie und regt an, sich in andere Rollen einzufühlen.
Es kommt auch vor, dass bei der Person, die ich begleite, der Wunsch nach einem eigenen Hund vorhanden ist. Hier schauen wir uns dann an, ob das Thema „Ich und Trauer und Hund“ zusammenpasst. Da gibt es stützende sowie fordernde Elemente, die wohl gegeneinander abgewogen werden wollen, um allen Beteiligten gerecht zu werden.
Welche Nachteile es gegenüber einer regulären Trauerbegleitung gibt
Keine. Ich habe bisher keinen einzigen Nachteil festgestellt. Ob es zu einer Zusammenarbeit kommt, steht und fällt in der Regel mit der Sympathie mir gegenüber. Meiner unbedingten Aufmerksamkeit tut es keinen Abbruch, dass meine Hündin dabei ist. Es sind stets interessante Zeitpunkte, an denen es zu Unterbrechungen kommt, wenn Daisy einmal um Aufmerksamkeit stupst oder zum Stehenbleiben aufruft. Manch ein Gesprächsfaden wird dann einfach wieder aufgenommen oder will vielleicht bewusst fallen gelassen sein. Wünscht die trauernde Person auf keinen Fall die Anwesenheit meines Hundes, dann respektiere ich das. Wenn dies auf Angst basiert, biete ich eine Begegnung mit ihr im geschützten Rahmen an. Mit ihrer sanften und sich nicht aufdrängenden Art eignet sie sich dafür sehr gut.
Meine Hündin ist Teil meiner Trauerbegleitung, so wie sie Teil meines Lebens ist. Sie schenkt mir und anderen ein Stück Wohlgefühl und inspiriert mich zu mehr „Im-Augenblick-Sein“. Manches Mal müssen wir herzlich über sie lachen. Manches Mal nimmt sie an einem Termin überhaupt nicht viel Platz ein, wenn sie nur auf ihrer Decke liegt oder eben brav neben einem her tappt. Und doch ist der Raum ein anderer, wenn sie dabei ist.