Jenny Egerer Fotografie

Seelenklang

Warum Musik dir beim Verabschieden hilft

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Das Rotkehlchen, dass vielleicht nicht immer ein Vogel war …

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Jenny Egerer Fotografie

Stille. Wind in den Bäumen. Gerade hat es kurz geregnet. Der Duft von feuchter Erde liegt in der Luft. Ein kleines Rotkehlchen landet zwei Meter vor mir, schaut mich friedlich an und verweilt. Ein paar Sekunden. Wir gucken uns gegenseitig an. Wir „sehen“ uns. Neulich habe ich gelesen, dass Seelen weiterleben und, in welcher Gestalt auch immer, Erfahrungen auf dieser Erde sammeln. Kurz denke ich darüber nach, während das kleine Vögelchen noch ein wenig vor mir her hüpft. Dann fliegt es plötzlich weg.

Im gleichen Moment drehe ich mich um und sehe durch einen großen Weidenbusch, wie Menschen langsamen Schrittes, den vom Regenschauer noch etwas nassen Weg, entlanglaufen. Gleich biegen sie um die Ecke und kommen in meine Richtung. Und dann?

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Dann schließe ich meine Augen, atme tief ein und wieder aus. Ich spüre die klare Luft in meine Lunge. Den Duft der vielen Blumen, die um mich herum aufgestellt wurden. In diese stille und fast schon friedvolle Umgebung hinein erklingt Musik. Ich beginne zu singen.

Ich stehe auf einem Friedhof und wurde als Trauersänger für eine Beisetzung gebucht. Von einer Familie, die einen geliebten Menschen mit gefühlvollem Live-Gesang verabschieden möchte.

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Warum Musik für trauernde Menschen wichtig ist

Du sagst jetzt vielleicht: „Du singst auf Beerdigungen? Das könnte ich ja nicht…!“ Darüber habe ich in den letzten Jahren meiner hauptberuflichen Selbstständigkeit als Sänger oft nachgedacht. Auch für mich gab es die erste Beerdigung. Das erste Mal, dass ich in einem Raum voller Trauer und gefühlter trauriger Energie stand und für Angehörige einer verstorbenen Person emotionale und gefühlvolle Lieder gesungen habe. Natürlich war das anfangs auch für mich besonders. Doch heute sage ich: Es ist und war eine Erweiterung meines eigenen Horizonts.

Wenn wir einen Menschen verabschieden, gehört das zu den schwersten Momenten in unserem irdischen Leben. Und auch wenn wir vor Schmerz und Trauer manchmal kaum einen Blick dafür haben: Die Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit und die vielen wertvollen Erinnerungen sind meist allgegenwärtig. Hören wir nun Musik, schließen die Augen und nehmen den Gesang einer Person wahr, die ihre innere Stimme nach außen trägt, dann können wir uns verbinden. Mit Menschen die uns nah sind, waren und immer sein werden. Mit einer Mut und Zuversicht schöpfenden Energie, die uns alle umgibt. Wir heilen durch Musik. Unsere Traurigkeit kann Trost finden. Die Musik hält unser Andenken an verstorbene Lieblings-Menschen, auch über deren Tod hinaus, fest. Wir tanken Zuversicht für den Weg, den wir zu gehen haben.

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Jenny Egerer Fotografie

Ist es nach dem Tod wirklich vorbei

Oft erlebe ich, wie Menschen erst durch das Erklingen meiner Stimme zu ihrer ehrlichen Trauer finden, weinen können, den Tod akzeptieren lernen. Das berührt mich immer wieder. Und ich bin dankbar für diese Möglichkeit für meine Mitmenschen da zu sein. Eben auf eine besondere Art und Weise.

Wir Menschen brauchen Musik. Unsere Seelen brauchen Musik. In Stunden des Abschieds vielleicht mehr denn je. Denn sie sorgt für Wärme und Geborgenheit in Zeiten, in denen es uns seelisch oder körperlich nicht gut geht.

Manchmal beschäftigt mich die Frage, wie es nach unserem Tod weiter geht. Können wir, da wo wir sind, Musik hören? Gibt es so etwas wie Musik dort überhaupt? Oder ist Musik vielleicht eine energetische Übersetzung für Frieden, Ruhe und Kraft? All das, was uns erwartet, wenn unsere Seele weiterzieht? Ich gebe die Frage gerne an dich weiter…

Vier Lieder waren es, die ich heute voller Mitgefühl gesungen habe. Sich in die emotionale Situation hineinfühlen, sich durchströmen lassen von den Schwingungen der Musik. Sich gleichzeitig aber nicht überwältigen lassen. Die erlebe ich Mal für Mal mit zutiefst erfüllender Herzensfreude.

Ich denke an das Rotkehlchen.

Vielleicht lebt die Seele, die unsere Erde verlassen hat in ihm weiter…?

Verstehst du jetzt, warum ich auf Beerdigungen singe?

Mein Name ist Fabian Schmelcher, ich bin 33 Jahre jung und lebe in Erftstadt bei Köln. Seit mehr als zehn Jahren arbeite ich als Sänger, Gesangslehrer und Stimmtrainer. In den letzten Jahren durfte ich zahlreiche Beisetzungen, Trauerfeiern und Beerdigungen mit meiner Stimme begleiten.

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