Da lag ich nun. In einem Krankenhausbett. An einem Samstagabend kurz vor Weihnachten. Im fünften Monat schwanger. Was hatten wir alles unternommen. Nie klappte es. Fast hatte ich die Hoffnung aufgegeben je eine Familie mein Eigen nennen zu können. Und dann kamst du. Unerwartet und doch erwartet. Endlich durfte auch ich mich Mama nennen! Ich war so stolz, ich war so glücklich.
Stille.
Und dann das. Einfach so. Ohne Vorwarnung und ohne Vorahnung. Ein vorzeitiger Blasensprung. Eine unentdeckte Infektion? Der Ultraschall brachte Klarheit: Das wenige Fruchtwasser nahezu komplett weg. Die Blutuntersuchung bestätigte hohe Entzündungswerte. Dann ging alles sehr schnell. Stationäre Aufnahme im Krankenhaus, Medikation intravenös. Hoffen, beten, bitten. Klammern an den winzigen Hoffnungsschimmer. Doch die Infektion war stärker. Nur zwölf Stunden später hatte dein kleines Herzchen aufgehört zu schlagen, kurz darauf habe ich dich still geboren, in der 19. Schwangerschaftswoche. Dich, Eleni, die Leuchtende. So zart. Und doch so komplett. So klein. Und doch stolze 20 cm groß.
Stille Geburt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nichts über das Thema stille Geburt oder Sternenkinder. Geschweige denn, was Sternenkinder sind. Dass es Menschen gibt, die sie fotografieren, Einschlagdecken stricken, Kleidchen häkeln und Sternenbettchen nähen, damit selbst die Kleinsten der Kleinen angemessen bestattet werden können. So widmete ich das erste Jahr nach dem Verlust sehr intensiv diesem Thema, meiner Trauer und dir. Reden hilft und ich habe viel geredet. Mit dir und mit anderen, auch Sternenmamas. Mit Therapeutinnen und Trauerbegleiterinnen. Ich habe viel gelesen und viel gelernt. Ich habe tröstliche Rituale erfahren, mich in Selbstfürsorge geübt und Erinnerungen über Erinnerungen geschaffen. Und – ich habe geschrieben. Nicht viel, nichts Großartiges, mehr für mich, vieles für dich. Gedankenblitze, kleine Gedichte, kurze Briefchen, Momentaufnahmen.
Reden hilft. Schreiben auch.
Eine besonders inspirierende Erfahrung, die ich in der Zeit machen durfte, war «Ein Wochenende mit dir». Ein Schreibseminar bei der wunderbaren Barbara Pachl-Eberhard. Diese feine, zarte und doch so kraftvolle und liebenswerte Frau, die ihr Schicksal – den Verlust ihrer Familie durch einen Unfall – so unfassbar meistert. Ein Wochenende mit intimen Einblicken, berührenden Worten und hilfreichen Übungen. Ein Wochenende mit dir, Eleni, meiner Tochter. Ein Wochenende, um unsere Verbindung, meine Liebe, deine Inspiration in Worte zu fassen. Übungen, die es selbst mir erlauben etwas aufs Papier zu bringen. Übungen, die ich immer wieder machen kann, wenn du mir besonders fehlst. Ganz einfach, ganz leise und immer mit einem Zeichen von dir. So wie die kleine, noch nicht reife Kokosnuss, die «plötzlich» zu meinen Füssen lag, mit der du mir sagst:
Komm
Ohne Sorgen
Komm
Ohne Morgen
Sag
Nichts
Und
Sei einfach
Sie.
Egal wie groß, egal wie klein. Egal wie schön, egal wie rein – Schreiben hilft, der Seele fein.