Neulich hat mir eine Freundin eine Nachricht geschrieben: „Ich weiß gar nicht wie du zwischen all dem Sterben Leben aushältst.“
Seit zehn Jahren arbeite ich Haupt- und ehrenamtlich im Hospizbereich und mit trauernden Menschen. Das hat sich gefügt, denn schon sehr früh in meinem Leben haben mich diese Themen begleitet und sind für mich Bestandteil unseres Daseins.
Widerstände gab es schon in der Ausbildung
Als junge Krankenpflegeschülerin bin ich manchmal nach Dienstschluss bei präfinalen Patient*innen geblieben und habe versucht im Sechsbettzimmer Raum zu schaffen, um ein würdevolles Sterben zu ermöglichen. Schon vor 25 Jahren habe ich nachgehakt, ob wir nicht mal ein Teamgespräch führen könnten, was der Umgang mit einer Vielzahl von sterbenden Menschen auf unserer Station in uns auslöst. Was uns eine Hilfe sein könnte, mit dem Sterben umzugehen. Die Konsequenz war, dass ich ein paar Wochen nicht mehr mit in die Pathologie fahren durfte, weil mir eine überdurchschnittliche Sensibilität bescheinigt wurde.
Die vielen gesellschaftlichen Stolpersteine in Bezug auf den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer lassen mich oft den eigenen Weg hinterfragen. Ich habe mich vom Wegschauen anderer nicht anstecken lassen, sondern ermutigt gefühlt genauer hinzuschauen. Mich haben diese Widerstände eher bestärkt öffentlichkeitswirksame Projekte zu initiieren, um Menschen ihre Berührungsängste zu nehmen. Eines davon ist das Ausstellungskonzept „hoffnungsvoll & seelenschwer“ für den Bundesverband Trauerbegleitung e. V.
Die Teilnehmer*innen kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen und haben entweder ihrer Trauer Ausdruck verliehen, oder über ihre Arbeit mit sterbenden und trauernden Menschen berichtet. Ich glaube es ist im Leben hin und wieder wichtig diese „stell dich Tod und Trauer-Momente für sich selbst zu schaffen. Sich mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen. Dazu ermutige ich auch gerne in meinem Umfeld, wenn ich gefragt werde. Wir können Tod und Trauer nicht entgehen, auch nicht, wenn wir uns standhaft weigern darüber zu sprechen.
Das Leben aufzuschieben ist für mich keine Option
Wir preschen allzu oft durch die Tage und Wochen und bemerken links und rechts nicht die Schönheit des Weges. Das sind Beispiele aus meinem Hospizalltag. Die Überraschung derer, die noch soviel vor hatten und plötzlich auf ihrem Weg vor einer Wand stehen. Meine Arbeit hat mich gelehrt nicht viel aufzuschieben. Jetzt zu lieben, zu lachen, ein gutes Essen zu kochen und verrückte Ideen zu spinnen. Für mich sind das kleine Inseln, die ich besuche, wann immer ich Zeit habe oder mich dazu überrede mir die Zeit zu nehmen.
In den sozialen Medien hat kürzlich wieder ein Kontakt geschrieben, dass sein runder Geburtstag nahelegt, dass er nur noch ca. 40x Weihnachten feiern kann, wenn alles gut geht. Mein Ansatz dazu ist 40 Jahre mal 365 Tage ergeben 14600 Möglichkeiten einen schönen Moment zu erleben.
Seit letztem Jahr schreibe ich einen Blog über unsere Arbeit im Hospiz Luise und habe damit auch bei meinen Kolleg*innen etwas ausgelöst. Unser Team beginnt zu schreiben, das Innere nach außen zu kehren und damit auch die wichtigen Lebensthemen Sterben, Tod und Trauer in den Fokus der Gesellschaft zu rücken. Das ist mein größtes Geschenk in diesen Zeiten.
Ich denke nicht jeden Tag an den Tod, ich denke jeden Tag an das Leben und das wünsche ich jedem Einzelnen von Euch!
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