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Geburt und Tod

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Alexandra Kossowski Kolumne 'LEID & FREUD'
6-2021

Bei diesen Begriffen denke ich zuerst immer an Familien mit früh verstorbenen Kindern, also während der Schwangerschaft oder bei der Geburt. Aber kürzlich begegnete mir eine junge Frau, deren Baby zur gleichen Zeit geboren wurde, zu der ein enger Verwandter starb.

 „Einer kommt, einer geht“

Ihr kennt bestimmt alle diesen Satz. Und ja, ich habe das selbst auch schon erlebt. Die Tochter meiner besten Freundin ist in der derselben Nacht geboren, genau ein Jahr später, in der mein Vater gestorben ist. Man könnte jetzt argumentieren, dass das ja der Kreislauf des Lebens sei. Menschen müssen sterben und neue kommen hinzu. Das ist für mich in dem Sinn tröstlich, dass es mir das Gefühl von etwas „Höherem, Spirituellerem“ gibt.

Aber wie gehe ich damit um, wenn ich Mutter werde und gleichzeitig jemand verstirbt, der mir sehr, sehr nahe steht, bspw. ein Elternteil oder sogar mein*e Partner*in?

Gefühlsextreme

„Umgangssprachlich“ würde man wahrscheinlich sagen, dass man sich halt über sein Neugeborenes freuen soll. Aber es schwingt so vieles mit:

-Die neue Rolle als Mutter finden. Sich als Eltern neu finden.
-Den Verlust bewältigen, Zeit für die Trauer finden.
-Das eigene Kind nicht mit der Trauer belasten wollen.
-Falls das Kind noch nicht geboren ist wahrscheinlich auch Angst es zu verlieren, weil man selbst körperlich und psychisch nicht auf der Höhe ist
-Der Schmerz darüber, dass das Kind und der*die Verstorbene sich nicht kennenlernen können

Und natürlich ist da die Freude über das neue Kind, aber eben auch der Schmerz über den Verlust eines geliebten  Menschen. Es ist ein Spagat zwischen zwei (oder mehreren) Gefühlsextremen.

Angst zu trauern und das Kind zu überfordern

Kinder nehmen viel mehr aus ihrem Umfeld auf, als wir oftmals denken. Wir versuchen sie gerade vor den schlimmen Dingen des Lebens zu schützen, so auch sehr oft vor Trauer. Aber wäre es nicht auch die beste Gelegenheit unseren Kindern ein Vorbild zu sein im Umgang mit Trauer? Denn das ist ja genau das, was häufig passiert. Kinder werden ferngehalten von Tod und Abschied. Wie viele von uns haben unsere Eltern trauern sehen? Selbst schon bei einer Trennung?
Und dann erleben wir den ersten Verlust, den ersten Liebeskummer und haben keine Ahnung, warum das so weh tut und wie wir damit umgehen sollen.

Endlich reden Ilona
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„Ich weine nicht vor meinem Kind“. Wir alle verstehen die gut gemeinte Intention dahinter. Aber woher sollen Kinder lernen, dass es vollkommen in Ordnung ist einen Verlust zu beweinen, wenn wir es ihnen nicht zeigen?

Es geht nicht darum Dinge totzuschweigen, es geht darum ehrlich und authentisch zu sein. Wäre es für ein Kind nicht einfacher zu verstehen, warum Mama und Papa traurig sind und offen damit umzugehen, anstatt unterbewusst wahrzunehmen, dass etwas nicht stimmt?

Wenn wir als Erwachsene unsere Verstorbenen nicht betrauern, wie sollen dann Kinder sie betrauern lernen?

Traut Euch zu trauern, mit und vor Euren Kindern

Bezieht Kinder ein. Erklärt ihnen, was los ist und wie Ihr Euch warum fühlt. Und dass es normal ist. Nutzt Kinderbücher über Tod, Trauer und Sterben, um kindgerecht zu erklären.

Traut Euch zu trauern, denn nur eine gelebte Trauer kann verarbeitet werden. Und ich denke, dass umso mehr Trauer Raum findet, umso mehr auch die Freude über Eure Kinder Raum finden kann.
Alles, was sein darf kann eine Verarbeitung finden. Alles, was unterdrückt wird erfordert im Endeffekt viel mehr Energie als wenn wir es zulassen.

Verletzlichkeit und Scham

Weil auch wir ganz oft nicht lernen, dass weinen, Trauer, Wut, Angst, Ohnmacht normale Empfindungen und Reaktionen auf einen Verlust sind, versuchen wir sie zu verbergen. Wir haben Angst als schwach zu gelten (vor allem im Arbeitskontext). Wir haben Angst uns verletzlich zu zeigen. Wir müssen stark sein für alle anderen –was ich schon mehrfach bei Trauer um ein Geschwisterkind gehört habe: „Ich musste stark sein für alle anderen und Mama und Papa“.

Wenn Ihr emotional verletzlich seid, können es auch Eure Kinder lernen. Überprüfe einmal, mit was Du Verletzlichkeit verbindest. Schwach sein? Angreifbar sein?

Aber nur, wenn wir auch mal verletzlich sind, sind wir authentisch. Ich werde immer, wenn ich als Dozentin arbeite gefragt, wie ich denn mit diesem Job umgehe. Wie ich es schaffe nichts an mich ranzulassen. Und ich sage: „Es ist das Gegenteil. Ich lasse es an mich ran. Ich weine mit, ich lasse es mich berühren. Und dann verändert sich etwas in mir. Ich begreife, was mir wichtig ist. Ich lerne, dass die Welt wie wir sie oberflächlich tagtäglich leben nicht alles ist und wie viel wir im Stillen zu verbergen versuchen. Dass wir nämlich alle irgendwann einmal Trauernde sind oder schon waren, ebenso wie Sterbende.“

Kolumne 'LEID & FREUD'
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