Kolumne Superhelden fliegen vor Straße bei Nacht

Nach einer meiner letzten Lesungen wurde mir von einem jungen Mann erzählt, der mit Mitte 40 nun auf der Zielgeraden seines Lebens angekommen war. Seit seiner Jugend war er leidenschaftlicher Kiffer gewesen und konnte nun kein Hospiz finden, in dem er bis zuletzt auch in seinem Zimmer exzessiv hätte kiffen können. 

Als ich das hörte wurde mir wirklich schlagartig klar, dass zur Zeit ein Generationswechsel bei Hospizbewohnern stattfindet.

50 ist das Neue 30

Wir sagen ja so schön 50 ist das neue 30. Und da ist auch etwas Wahres dran. Unsere Leben haben sich verändert. Die Rolling Stones stehen noch mit über 70 auf der Bühne und rocken.

Das bedeutet aber auch, dass wir die Sterbenden von heute nicht mehr mit der Kriegsgeneration vergleichen können. Die Bedürfnisse, insbesondere von jungen Sterbenden, haben sich verändert.

Es gibt mittlerweile krebskranke Menschen, die ganz offen und offensiv mit ihrer Krankheit umgehen, darüber bloggen und noch im Sterbebett bei Facebook live gehen um sich von ihren Followern zu verabschieden.

Das sind ganz neue Wege der Sterbegestaltung. Das sind mutige und innovative Menschen, die ihr Schicksal und ihren letzten Weg selbst gestalten.

Wir, die Mitte der Gesellschaft, drücken uns noch immer sehr gerne vor dieser Aufgabe und überlassen das Ganze sozialen oder kirchlichen Institutionen.

Doch insbesondere jetzt kommt es auf uns an. Künstler, Köche, Taxifahrer, Designer, Rotlichtschwalben, Fotografen, Sänger, Tänzer, Wurstverkäufer, wir alle müssen unseren Senf dazu tun, damit Hospize unserer Realität entsprechen. Damit es Räume für Kiffer, Säufer und Individualisten gibt. Damit Playstations, Smart TVs und WIFI zur Grundausstattung gehören, damit wir bis zum letzten Atemzug so gut es geht selbstbestimmt leben können. Selbstbestimmt einkaufen, selbstbestimmt Musik hören, selbstbestimmt guten Kaffee trinken.

Neue Wege in der Sterbebegleitung

Wir brauchen neue Wege in der Sterbegestaltung, neue Straßen in der Sterbebegleitung! 

Wenn wir im Auto sitzen und bereits losgefahren sind, wird es schwierig, wenn wir die vorhandenen Straßen verlassen möchten, weil sie uns nicht an unser selbst gestecktes Ziel zu bringen scheinen. Es geht auch, aber insbesondere in der letzten Lebensphase ist Kraft sehr kostbar und kann viel besser an anderen Punkten eingesetzt werden. Wenn wir unsere Straße, unseren ganz eigenen Weg bereits jetzt schon bauen und ihn auch für andere bereitstellen, dann können wir die Fahrt am Ende vielleicht sogar ein wenig genießen.

Warum planen wir unser Sterben nicht wie einen Urlaub, den wir auf jeden Fall machen werden. Jeder von uns. Wir fahren alle dorthin, nur zu unterschiedlichen Zeiten. Wüsstest Du von diesem Urlaub, würdest Du ihn nicht planen und gestalten wollen?
Leben ist so bunt und vielfältig. Genauso muss auch das Sterben sein.

Lasst uns mutig sein, neue Straßen erdenken, erbauen und befahren, das Sterben gemeinsam gestalten.

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