Um nicht mehr überfordert zu sein.
Um den ganzen Blumenstrauß an Gefühlen zu erlauben.
Um zurück in die Freiheit zu kommen.
Es gibt viele gute Gründe, um eine konstruktive Weise der Trauerarbeit zu erlernen und zu praktizieren.
Aber dazu muss ich Trauer erst einmal zulassen können. Manche Tode werden als nicht ‚relevant‘ genug erachtet von unserem Umfeld, um darüber trauern ‚zu dürfen‘. Das Sternenkind? – ein Embryo, ein Zellhaufen, nicht mal lebensfähig, kein Kind. Der Bruder des Großvaters?- ein entfernter Verwandter, den du doch seit Jahren nicht mehr gesehen hast.
Manche Tode werden als zu ‚tragisch‘ erachtet, als dass sich unser Umfeld trauen würde, einzugreifen. Dein Mann hat sich in eurem Wohnzimmer erschossen? Bei einem Verkehrsunfall sind deine beiden Kinder auf einmal umgekommen? – Ohnmacht. Dazu lässt sich nichts sagen, da darf man nichts sagen. Oder vielleicht vom Arzt Medikamente verschreiben lassen?
Ich möchte Dir sagen: Du bist mit Deiner Trauer richtig. Das Trauern, das Vermissen, das Anzweifeln und die alles umfassende Sehnsucht; das alles ist richtig und wichtig. Andere Menschen können das vielleicht nicht sehen, auch wenn sie Dir nahestehen. Manche gesellschaftliche Strukturen sind vielleicht daran interessiert, die Trauer zu reglementieren oder einzuschränken, zu tabuisieren oder gar zu verbieten.
Aber Du, Du darfst mit Deiner Trauer sein. Ich wünsche Dir, dass Du Dir Hilfe holen kannst, wenn
Du sie brauchst. Und ansonsten mit den vielen Facetten Deines Abschiednehmens von einem
oder mehreren Mensch(en), eines geliebten oder nicht geliebten Menschen sein kannst.
Vielleicht ist es irgendwann an der Zeit und Du merkst, dass Du in den Prozess eingreifen möchtest. Weil Du eben nicht mehr zu oft zu sehr überfordert sein willst. Weil Du merkst, dass da Gefühle von Neid oder Hass oder Wut sind, die nach oben an die Oberfläche wollen. Weil Du plötzlich sexuelle Fantasien hast, die Dich verwirren. Oder weil Du Dich für den Wunsch nach einem Daiquiri am Hotelpool schämst.
Dann möchte ich Dich bestärken, auf die größte Hilfe überhaupt zurückzugreifen: Deinen Körper, in dem Du lebst. Das Vehikel, mit dem Du durch dieses Leben kommst. Das Verbindungsstück zwischen Dir und der Welt da draußen. Und es ist eine schöne Welt, die Du schmecken, berühren, ertasten, erleben kannst. Wenn Du singst oder malst oder spazieren gehst und die Natur beobachtest, kannst Du ihre Resonanz spüren.
In der Trauer gehen wir oft aus dem Körper raus – immer dann, wenn wir überfordert sind, mit den heftigen Gefühlen, die da den lieben langen Tag auf uns einstürzen. Wieder in den Körper zu kommen bedeutet deshalb: Deine Gefühle spüren, die Resonanz (und Schönheit!) der Welt wahrnehmen, die Facetten der Trauer in verschiedenen Körperregionen verorten und Stück für Stück verstehbarer und irgendwann transformierbar zu machen. Es gibt viele Wege zurück in den Körper. In meinen Kursen benutze ich ein sanftes Yoga, um meine Teilnehmer*innen dabei zu unterstützen, den Körper wieder ganz und gar zu bewohnen.
Es ist eine langsame Arbeit mit einer Vielzahl von Aspekten. Jede*r ist eingeladen, seine/ihre ganz eigene Erfahrung zu machen – es gibt weder richtig, noch falsch. Für mich beispielsweise, ganz persönlich in meinem eigenen Trauerprozess, bei dem langen Abschied von meinem Ehemann und meiner Mutter, war Folgendes essenziell: wenn ich den Boden unter mir spüren kann, wird es auch möglich, alles, was ich nicht mehr brauche, was mir nicht mehr dient, was nicht mehr zu mir gehört, abzugeben & in die Erde abfließen zu lassen.
Und dann bestelle ich mir Eis zum Martini.