Weißt du, dieser Hund ist mein ein und alles!
Sätze, die ich sehr oft höre. Manchmal mit „Katze“ statt Hund. Oder mit Kaninchen oder Meerschweinchen. Das ist für viele Menschen einfach genau das tiefe Gefühl, wenn sich ein geliebtes Haustier auf die letzte Reise begibt. Es ist ein Familienmitglied. War vielleicht ein Jahrzehnt oder länger wichtiger Mittelpunkt. Und selbst wenn es nicht so lange war, hat es im Herzen tiefe Spuren hinterlassen, wie das oft nur Tiere durch ihre bloße Anwesenheit können.
In diesem Fall aber, nahm dieser eine Satz den ganzen Raum ein. Denn mehr als den Hund gab es für die Frau nicht.
Wenn Menschen nur noch das Tier bleibt und dieses Tier auch noch das letzte Geschenk der verstorbenen Schwester war……
Mir fehlen selten die Worte, doch in diesem Fall brachte ich kein einziges Wort raus. Diese Aussage war so raumfüllend, so groß und so schmerzhaft, auch für mich.
Diese wunderbare Frau hatte auf dieses letzte Geschenk der Schwester 14 Jahre gut aufgepasst und es behütet. Hatte einen wichtigen Freund bekommen, als die Schwester an Krebs verstarb. Danach verlor sie noch den Papa. Corona kam und nahm ihr dann das letzte bisschen Normalität und Kontakte. Wichtigster Begleiter ihr Hund.
Wenn er nicht mehr ist, was dann?“
In meinen Fachfortbildungen für tierisch Tätige gehe ich auf das Thema der Achtsamkeit ein und auch, dass man immer den Moment ganz bewusst lebt, weil einfach irgendwann diese Trennung kommt. Das Tier muss gehen. Man bleibt zurück. Je intensiver man also den Moment lebt und wertschätzt, umso mehr gefühlte Tage hat man.
Und doch ist da so viel Leere, wenn Tag X eintritt. Vor allem wenn niemand mehr da ist und wenn man noch ein letztes Geschenk verabschieden muss. Ich habe mir überlegt, ob es ein Trost ist, dass der Hund wieder zu der Person findet, die ihn damals ausgesucht und abgeholt hat. Gleichzeitig habe ich mich gefragt, welche Gefühle das in mir auslösen würden. Vielleicht wäre ich dann auch gerne dort -eben weil nichts und niemand meiner Lieben mehr hier ist…
Tatsächlich wird oft der Wunsch geäußert, man wolle folgen. Man sehe keine Zukunft mehr, kein Licht.
Genau so ging es einem im Ruhestand befindlichen Richter a.D. vom Oberlandesgericht. Ein tougher Kerl, sehr geraderaus. Klare Stimme, harter, bestimmender Ton. Doch wenn er mir über seinen verstorbenen Cocker Spaniel erzählte, wurde er weich. Und dann kam dieser eine Brief, in dem er mir dankte für die Zeit, die ich ihm geschenkt habe. Dafür, dass ich da war und zugehört habe und ihm das Gefühl gab, verstanden zu werden. In dem Brief lag so viel Schwere, dass ich in Sorge bei ihm anrief und niemanden erreichte. Das ging tagelang so. Ich bekam Kopfkino. Als nach einer Woche endlich jemand den Hörer abnahm, war ich beruhigt, doch er war nicht da. Er war in seine Jagdhütte gefahren, schon vor einigen Tagen. Vielleicht ahnst du, wie mich bei der Aussage fühlte. Zwar beruhigte mich seine Lebensgefährtin, er würde schon keine Dummheit begehen – doch kann man sich da so sicher sein?
Licht am Tunnelende
Ich hörte von ihm nie wieder etwas, obwohl ich darum bat, er möge sich nach seiner Rückkehr melden. Ein paar Jahre später, kurz vor meinem Wegzug aus Bayern, kontaktierte mich der örtliche Tierfriedhof und luden mich zu einer Veranstaltung ein. Es kollidierte leider mit meinem Umzug, so dass ich absagen musste, doch auf die Frage, was eigentlich der Richter a.D. machen würde, ob er noch immer täglich auf den Friedhof kam, erhielt ich eine unglaublich schöne Antwort: „Ihm geht es gut. Er kommt täglich und betreut auch hier ehrenamtlich für den Tierfriedhof Menschen, die mit dem Verlust des Tieres nicht klar kommen.“
Er hat seine Aufgabe gefunden – und womöglich eine Aufgabe, die er selbst nicht für möglich gehalten hat.
An genau diese Geschichte musste ich denken, als ich in Sorge um die Frau und ihren Hund war, der womöglich bald seine letzte Reise antreten würde. Und dieses Happy-end machte mir etwas Mut. Denn oft wissen wir, wenn wir in einem Tal im dichten Nebel feststecken nicht wirklich, wie es und ob es weitergeht. Manchmal muss etwas Zeit vergehen, muss sich die erste Trauer legen, bis die Sonnenstrahlen ganz zaghaft durch die dichte Wolkendecke gelangt.
Manchmal kommt am Ende alles anders, als man es je für möglich gehalten hat. Darauf sollte man vertrauen. Sowohl als Begleiter, als auch als Mensch, der Adieu sagen muss.