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Einfach nicht mehr da - Blümchen

Wenn jemand einfach nicht mehr da ist :

Lasst uns über den Tod sprechen. In unserer westlichen Kultur tun wir das meiner Meinung nach leider viel zu selten, denn Sterben ist ein Tabuthema. Etwas, über das man nicht gern redet. Obwohl es zu jedem Leben dazu gehört. Warum? Weil der Tod bei uns als Ende empfunden wird. Und dadurch verbunden ist mit großer Angst und tiefer Trauer. Und dieses “negative” Gefühl Trauer findet oft sehr isoliert in den eigenen vier Wänden statt.

In vielen Ländern und Kulturkreisen ist das ganz anders. Hier wird der Tod oftmals “gefeiert”. In Indien zum Beispiel. Zwar trauern Angehörige auch hier um eine verstorbene Person und bringen diese Trauer durch verschiedene Rituale und Opfergaben zum Ausdruck. Doch der Tod steht im Hinduismus nicht für Verzweiflung und Ende sondern für die Befreiung der Seele.

Einfach nicht mehr da - Trauer in anderen Kulturen - Indien
Jaideep Barodia – unsplash

Der Tod ist unumgänglich. Wir alle wissen das. Manche können besser darüber reden als Andere. Ich selbst konnte nie gut und offen darüber sprechen. Dabei war er ein großer Teil meiner Jugend. Inzwischen bin ich Trauerrednerin und gestalte Abschiedszeremonien. Jetzt rede ich über den Tod. Hier soll es nun um meine eigenen Erfahrungen gehen. Schließlich hat jede*r eigene Geschichten und einen eigenen Umgang mit dem Thema.

Allein mit dem Schmerz

Mein Vater ist vor fast vier Jahren an Krebs gestorben. Das klingt nach einer langen Zeit. Doch das ist es gar nicht. Denn erst nach ungefähr zwei Jahren war ich überhaupt erst in der Lage, die Box in meinem Herzen zu öffnen, die solange verschlossen blieb. Und es geht hier eigentlich nicht mal unbedingt um den eigentlichen Tod meines Vaters. Sondern auch was dieser mit der Familie seitdem gemacht hat. Und besonders auch um die zehn Jahre seiner schweren Krebserkrankung, die mich im Nachhinein betrachtet sehr geprägt haben.

Mein Umfeld reagierte auf den großen Einschnitt in meinem Leben sehr unterschiedlich. Es gab Menschen, die das Thema gewechselt haben, sobald ich über meinen Vater geredet habe. Aus Rücksicht? Oder weil sie mit dem Thema Tod nicht konfrontiert werden wollten?

Ich will niemandem einen Vorwurf deswegen machen. Auch ich habe mich in ähnlichen Situationen so verhalten, bevor ich ihn selbst erfahren musste: Diesen Schmerz, den man mit nichts auf der Welt vergleichen kann. Der einen den Atem raubt und an den nichts bisher Erlebtes herankommt. Wenn jemand einfach nicht mehr da ist.

Und man ist so allein mit dem Schmerz. So allein, dass er einen umhauen kann und es einfacher ist, ihn gut eingewickelt in eine Box zu stecken.

Die Angst vor dem Vergessen

Ein paar Mal hatte ich den Deckel der Box schon angehoben und einigen wenigen Menschen erlaubt, hineinzuschauen. Mit einer meiner Lieblingsmenschen fuhr ich einmal zusammen zum Friedhof. Ich saß mit ihr am Grab und sie fragte mich, was mein Vater so für ein Mensch war. Diese Empathie und dieses echte Interesse berühren mich heute noch, wenn ich an diesen Moment denke. Mehr braucht es meiner Meinung nach überhaupt nicht im Umgang mit Trauernden. Denn ich habe solche Angst, zu vergessen. Wie er war, wie seine Stimme klang, wie er aussah. Über ihn zu reden bringt ihn ein bisschen zurück und hilft gegen das Vergessen. Ich weiß, dass ich mir diesen Raum einfach nehmen muss. Doch das erfordert Mut, den ich lange nicht hatte.

Nun bin ich aber an einem Ort, wo ich verletzlich und ganz Ich sein kann. Der es mir ermöglicht, die verschlossene Box in meinem Herzen komplett zu öffnen. Und all das, was darin schlummert, freizulegen. Ich kann all die Erinnerungen und Emotionen fühlen, sie durch mich durchströmen und dann vorbeigehen zu lassen.

Und ich muss sagen, es ist gar nicht so schlimm. Wenn Gefühle nicht unterdrückt werden, kommen sie auch nicht mehr so explosiv und intensiv daher. Es tut sogar gut, endlich darüber reden und weinen zu können. Ich mache einen langen Spaziergang mit einer Bekannten, die Ähnliches erlebt hat. Die alles wissen will. Die mir sagt, dass mein Vater so stolz auf mich wäre, wenn er wüsste, wie hart ich an mir gearbeitet habe und wie glücklich ich nun bin. Und das bin ich. Glücklich. Weil all die Emotionen ausgebreitet wie ein offenes Kartenblatt vor mir liegen. Und sie mir keine Angst mehr machen.

Blog Elisabeth 2 edited scaled
Tim Foster – unsplash

Für eine offene Trauer- und Erinnerungskultur

Nachdem ich begann, mich mit meiner eigenen Trauer auseinander zu setzen, wurde mir etwas Anderes bewusst. Ich will weiter darüber reden. Und ich möchte Anderen helfen, darüber zu reden und sich zu erinnern. Ich möchte dazu beitragen, dass sich irgendwann eine offenere Trauer- und Erinnerungskultur entwickelt. Und dazu gehört auch der Moment des Abschieds. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sehr es helfen kann, einen besonderen Abschied und eine passende Trauerrede auf einer Beerdigung zu haben. Eine wertschätzende und tröstende Trauerfeier, die individuell auf den geliebten Menschen zugeschnitten ist, kann so einen großen Unterschied für den eigenen Trauerprozess machen und für immer als etwas Positives in Erinnerung bleiben. Und genau darum, habe ich mich entschlossen, Trauer- (oder wie ich lieber sage) Abschiedsrednerin zu werden.

Und täglich grüßt… der Tod?

Einfach nicht mehr da - Menschen auf Dünen
Paz Arando – unsplash

Und wie komme ich nun damit klar, wenn der Tod quasi täglich Teil meines Lebens weil Teil meines Berufes ist? Wie kann ich einen Alltag gestalten, welcher das Leben zelebriert aber gleichzeitig den Tod akzeptiert? Für mich ist ein Ausgleich total wichtig. Und es ist essentiell, meine eigenen Gefühle gut zu kennen und regulieren zu können. Mir hilft meine tägliche Meditationspraxis am Morgen, in der ich mich in Dankbarkeit für mein Leben übe, für all die kleinen Dinge. Und spazierengehen, die Natur und raus aus meinem Kopf und in meinen
Körper kommen. Tanzen. Wenn ich selbst wenig Stress empfinde und emotionale Klarheit habe, kann ich schwierigen Situationen viel besser begegnen. Und im Abschied liegt auch so viel schönes. Denn Trauer und Tod, das sind nicht nur “negative” Gefühle wie Traurigkeit und Schmerz und Angst. Das sind genauso in Erinnerungen schwelgen und Lachen und Verbindung und tiefe Dankbarkeit.

Lasst uns mehr über den Tod reden. Über unseren eigenen oder den unserer Liebsten. Lasst uns Worte finden für das Unaussprechliche. Oder ihm einfach nur einen Raum der Stille geben.

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