In diesem Format lernst du vielseitige Menschen und ihre Berufung kennen. Unsere Gäste stellen sich mutig den Fragen über die eigene Endlichkeit und schenken dir einen spannenden Einblick in ihr Leben.
Endlich reden : Franzi Kern
Welchen Einfluss hat der Tod auf dein Leben?
Seneca hat vor mehr als 2000 Jahren geschrieben: „Das ich dich liebe, mein Leben, verdanke ich dem Tod.“ Wenn ich den Einfluss des Todes auf mein Leben beschreiben müsste, wäre es genau das.
Der Tod hat mich nie gross tangiert. Bis 2017 mein Sohn nach der Geburt gestorben ist. In diesem Moment ist mir der Tod ganz nahe gerückt und irgendwo auch genau dort geblieben. Seine Anwesenheit spüre ich mal mehr, mal weniger. Aber er ist in verschiedenster Hinsicht ein grosser Teil meines Lebens geworden. Er ist nicht nur der Grund, das täglich trauernde Familien zu mir in die Begleitung kommen. Er hat mir auch gezeigt, wie schnell das Leben vorbei sein kann und wie wichtig es ist, jeden einzelnen Moment so gut es geht zu geniessen. Seine Nähe ist eine stetige Erinnerung daran.
Hast du Angst vor dem Tod und wie stellst du ihn dir vor – eher männlich oder weiblich?
Wenn es nur und mich und mein Leben gehen würde, dann würde ich sagen, dass ich keine Angst vor dem Tod habe – nicht um meinetwillen. Aber der Gedanke daran, dass meine beiden Kinder ohne Mama aufwachsen müssten, raubt mir zuweilen den Atem. Die Vorstellung, dass sie trauern müssten und wie sehr ihnen die Mama fehlen würde, tut so weh. So habe ich in gewisserweise schon Angst vor dem Tod. Zumindest habe ich Angst, dass er mich nimmt, bevor die Kinder erwachsen sind und mich nicht mehr so sehr brauchen. Und ein bisschen hoffe ich natürlich auch, dass ich meine Kinder aufwachsen sehen und auch Oma werden darf.
Für mich ist der Tod eher männlich. Ich weiss gar nicht warum. Es ist das erste Bild, das mir bei der Frage kam.
Welche drei Dinge möchtest du erreicht oder erlebt haben, bevor du stirbst?
Wie oben gesagt, möchte ich meine Kinder aufwachsen sehen und so gerne Oma werden. Ich möchte den Verein Himmelskind in der Schweiz etablieren und irgendwann selber Menschen zu Trauerbegleitern ausbilden. Als letztes möchte ich gerne irgendwann ein Haus am Meer, wo ich alt werden kann.
Gab es schon einmal in deinem Leben eine Situation, in der du dem Tod näher warst, als dem Leben? Wie hat dich das verändert?
Eher indirekt. Als ich bei der Geburt meines zweiten Sohnes für den Not Kaiserschnitt in Vollnarkose gelegt wurde, habe ich (und ich bin nicht gläubig) innerlich flehentlich gebetet, dass ich wieder aufwache. Ich bin wieder aufgewacht. Genau in dem Moment, als mein zwei Stunden alter Sohn aufhörte zu atmen. Der Tod war ganz nahe. Er hat unsere Familie getroffen, unser Baby und seit dem ist nichts mehr wie es war. Das war unendlich schmerzhaft und gleichzeitig ist aus diesem Schicksal auch so viel gewachsen. Vor allem ich. Ich wusste vorher nie, was mir Spass macht und was ich gut kann. Ich habe in den letzten drei Jahren Seiten an mir entdeckt, die ich vorher nie kannte. Ich habe Stärken und Fähigkeiten entwickelt, an die ich im Traum nie gedacht hatte.
Der Tod hat mich erschreckt – mich zutiefst erschüttert. Und mich gleichzeitig in ein Leben katapultiert, das mir so viel Sinn und Erfüllung gibt.
Was für eine Art Sterben wünscht du dir?
Ich möchte schon gerne alt werden. Aber bitte ohne grosses Leid. Ich möchte gerne friedlich in der Mitte meiner Familie einschlafen.
Glaubst du an eine Art Leben nach dem Tod?
Ja, ich glaube ganz fest, dass es danach etwas gibt. Ich habe so viele Zeichen von meinem Sohn bekommen, die keine Zufälle mehr sein können. Ich spüre ihn manchmal ganz nah. Ich habe auch schon mit verschiedenen Medien gesprochen und bin durch sie noch viel mehr überzeugt, dass unsere Lieben noch um uns herum sind. Es ist ein tröstlicher Gedanke.
Wo brichst du ungeschriebene gesellschaftliche Regeln?
Als Kind der DDR bin ich ziemlich gehorsam und immer darauf bedacht keine Regeln zu brechen und nicht aufzufallen. Aber wenn es um das Thema Tod, Sterben und Trauer geht, dann kann ich schon sehr offen, ehrlich und somit auch unbequem sein. Da kommt dann schon auch mal ein kleiner Rebell in mir vor. Seit dem Tod meines Sohnes noch mehr, hab ich das Gefühl. Ich stehe mehr für mich ein. Aber ob man das als Regeln-brechen bezeichnen kann, weiss ich nicht.
Gibt es eine besonders wertvolle Erfahrung mit dem Tod, welche du gerne teilen möchtest?
Meine geliebte Oma starb als ich Anfang 20 war. Ich bin bei ihr aufgewachsen. Sie war so wichtig für mich. Dann erkrankte sie an Krebs und es ging so schnell. Plötzlich klingelte vier Uhr morgens mein Telefon und meine Mama sagte mir, dass meine Oma im Sterben liegt und ich ins Krankenhaus kommen sollte.
Ich saß an ihrem Bett und hielt ihre Hand. Ich sagte ihr, dass es okay wäre, wenn sie gehen möchte und das wir alle bei ihr sind und sie lieben. Ich hielt ihre Hand bis sie aufhörte zu atmen. Sie war mein erster großer Verlust. Meine Mama beschreibt diese Erfahrung im Krankenhaus als furchtbar. Sie hat fürchterlich geweint. Ich hingegen war völlig ruhig und erinnere mich an diese letzten Momente als wunderschön, in all ihrer Traurigkeit. Ich bin so dankbar, dass ich sie auf ihrem letzten Weg begleiten durfte und ich bin sicher, dass sie das gespürt hat.
Ich war beim Sterben meines Sohnes nicht anwesend, weil man mich plötzlich rausgeschoben hatte. Und ich schaffte es nicht rechtzeitig zu meinem Opa als er starb. Diese unterschiedlichen Erfahrungen haben mir gezeigt wie wertvoll es war, dass ich meine Oma begleiten durfte und diesen Porzess wirklich erleben konnte.
Wobei fühlst du dich besonders lebendig?
Spannenderweise immer genau dann, wenn ich mit dem Thema Tod konfrontiert bin. Ich lebe auf, wenn ich Eltern nach dem Verlust ihres Kindes begleiten darf und wenn ich all meine Energie in mein Herzensprojekt Himmelskind stecken kann.
Aber natürlich geben mir meine Kinder auch ganz viel Leben und Bewusstsein dafür.
Und mein Kampfsport. Wenn ich mich im Krav Maga auspowern kann, spüre ich meinen Körper bis in die letzte Faser.
Wer ist : Franzi Kern
Ich bin Franzi, Mama von 3 Kindern – zwei an der Hand und eins im Herzen.
Im Mai 2017 erwarteten wir nach einer unkomplizierten Schwangerschaft unseren zweiten Sohn. Am Geburtsdatum bekam ich Wehen. Wir sind ins Spital, wo ich die Wehen sehr gut veratmen konnte.
Plötzlich fielen die Herztöne. Meine Ärztin versuchte ihn noch mit der Saugglocke zu holen, aber der Gradstand war zu hoch. So ging auf einmal alles ganz schnell. Ich kam in den OP und unser Baby wurde per Not-Kaiserschnitt in Vollnarkose geholt. Zwei Stunden hat er gelebt, bis er völlig überraschend einfach seine Flügel aufgespannt hat. Genau in dem Moment, als ich wach geworden bin.
Ich durfte unseren kleinen Lennis nur einmal kurz halten und habe ihn nie lebend gesehen. Die Ärztin rief einen aussergewöhnlichen Todesfall aus, die Polizei kam und befragte alle und Lennis kam sofort in die Autopsie. Erst nach 10 Tagen habe ich ihn in der Aufbahrung wieder gesehen. Bis heute wissen wir nicht genau was passiert ist.
3 Monate später wurde ich trotz Kaiserschnitt wieder schwanger und genau 361 Tage nach Lennis´ Tod wurde unser Regenbogenmädchen geboren.
Es war ein harter, schmerzhafter und langer Weg, den ich begann in meinem Blog Still She Rises niederzuschreiben. Überraschenderweise kam das sehr gut an. Kurze Zeit später fing ich an Trauerkarten für Sternenkinder zu entwerfen, da es einfach kaum etwas passendes gab.
Darauf entschied ich mich eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin zu machen und habe den Verein Himmelskind in der Schweiz gegründet. Mit dem bin ich heute intensiv unterwegs und begleite Familien, die wie ich ihr Kind verloren haben.
Dieses Jahr habe ich sogar meine erstes Buch rausgebracht – ein Begleitbuch für trauernde Eltern, mit ganz viel Infos über Trauer, Tipps, Rituale und ganz vielen Anregungen zum Schreiben.
So schmerzhaft der Weg war und ist, so erfüllt, berührend und voller Liebe ist er auch. Ich bin stolz Mama von einem Sternenkind zu sein und ich bin stolz heute anderen Betroffenen auf ihrem Weg unterstützen zu dürfen.
Franzi Kern
Trauerbegleiterin für Sternenfamilien, Bloggerin und Mitbegründerin des Vereins Himmelskind in der Schweiz.
Ihre Seite Still She Rises findest du hier
Verein Himmelskind Akuthilfe und Trauerbegleitung
Bo Hauer www.naturheilpraxis-wm.de und www.praxisammarienplatz.de