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愚木混株 Cdd20 pixabay

To care. Carer. Charite. Und der ursprüngliche lateinische Begriff: Caritas. Alle diese Worte bedeuten im Grunde dasselbe. Nächstenliebe.

Liebe zum Nächsten zählt, gerade dann, wenn jemand vor dem Scherbenhaufen seines Lebens steht.

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Sollte man den Verlust des Menschen, der einen am besten kannte, am tiefsten liebte, nicht spüren, als gleichsam körperlichen Schmerz? Aber die kurze Textnachricht ploppt ohne Vorwarnung auf… Teilt die Zeit in ein „vorher“, nicht immer perfekt, jedoch vertraut- und ein „nachher“. Jeder Atemzug ein Kampf. Zur Hölle mit „Vorbereitung“, zur Hölle mit schönen, bedeutungsleeren Floskeln… Seltsam, dass die Uhren weiterticken, wo du gegangen bist. Seltsam, dass die Welt sich weiterdreht.

Ist es nicht verrückt, dass all die andern Menschen lachend vorrübergehen, weil dies für sie nur ein weiterer warmer Dezembermorgen ist? Und, ist es nicht verrückt, wie ich mich, für den Moment, noch auf den Beinen halte- wie ich einer schlaffen Marionette gleich dennoch funktioniere? Halb hier, doch halb in einem schlechten Traum?

So schlafwandle ich durch Zugabteile, durch leere Straßen, durch ein erschreckend, gähnend, leeres Haus. Und schließlich, durch stille, weiße Gänge, in der Nase den vertrauten, beißenden, Desinfektionsgeruch. Der Junge in hellblau muss ein Pflegeschüler sein- Der Mann in der Notaufnahme regt sich wegen der Maskenpflicht auf- die seltsamsten Details bleiben hängen. Keines erreicht mich wirklich.

„Ganz viel Kraft für Sie“

Innerlich taub betrete ich die Palliativstation. Die Tür zu Zimmer dreizehn öffnet sich vor mir, schließt sich hinter mir. Und jetzt erst gebe ich auf. Was war, was hätte sein können, was nie gewesen ist, vermengt sich zu unerträglichem Schmerz. Ich kaure hier, nichts als ein kleines Häufchen Elend, auf dem Boden zusammengesunken. Wortwörtlich am Boden.

Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, tut sich die Tür ein zweites Mal auf. Die Oberärztin tritt ein, umfasst mit ihren starken, warmen Händen meine Kalten. With Care, carefully. „Ganz viel Kraft für Sie“, sagt sie leise.

愚木混株 Cdd20 pixabay
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Nach einigen langen Moment der Stille, beginnt sie ein Gespräch, nicht aufgezwungen, nicht durch eine aufgesetzte Fassade hindurch- sondern überraschend natürlich, im Angesicht des Schmerzes ohne den Schmerz zu verneinen. Schmerz hat Raum verdient. Und irgendwie, ich weiß nicht wie, irgendwie erreicht sie mich. Irgendwie halten diese reale, menschliche Berührung, und eine ruhige, menschliche Stimme, mich im Hier und Jetzt. Sie hört zu. Mitfühlend, geduldig. Und langsam finde ich Worte, zwar noch stockend. Es wird noch dauern, viele Monate werden noch vergehen, viele Tränen fließen … aber langsam eröffnet sich die Möglichkeit eines Danach.

Sie verabschiedet sich mit einem festen Händedruck, halb als Nachsatz fügt sie noch hinzu: „Haben Sie alles, was sie brauchen? Hätten Sie gern einen Tee?“… Einen Tee? Wer hält es für selbstverständlich, dass sie hier neben mir sitzt, um mir Halt zu geben, mir einen Tee anbietet? Denn ich weiß, dass es andere Patienten gibt, die sie brauchen, andere Pflichten, die rufen. Die Uhr über der Tür zeigt zehn nach acht an, Freitagabend. Für mich, völlig aus der Zeit gefallen, mag es einerlei sein… doch Menschen, die nicht am Abgrund stehen, sollten jetzt zu Hause mit ihren Familien zusammensitzen, abschalten nach einer langen Woche, das Leben auskosten. Eigentlich. Das hier dagegen, die Arbeit an den Grenzen des Erträglichen – ist alles, bloß nicht einfach, bloß nicht selbstverständlich.

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Mag ich mich auch an ihr Gesicht nicht mehr erinnern, meine Dankbarkeit für die Palliativmedizinerin lässt sich kaum in Worte fassen. Und niemals mehr werde ich glauben, dass Nächstenliebe nichts verändern kann… Denn, wenn man schon fallen muss, dann liegen Welten und Ozeane zwischen dem harten Aufschlag auf einem Boden von Stein… Und einem weicheren, menschlicheren, Aufgefangen- werden.

… man ist ganz einfach Mensch

Wir sind vielleicht nicht alle aus ihrem Holz geschnitzt, und das ist auch völlig in Ordnung so. Aber, nichtsdestotrotz, können wir alle von ihr lernen. Ihr Beispiel ist eine Lektion in Resilienz und, vor allem, Nächstenliebe.

Mag es ein Streit zwischen Freunden sein, eine politische Überzeugung, eine hitzige Debatte… Nie sollte man darüber die Nächstenliebe vergessen. Auf der Palliativstation ist man nicht mehr an erster Stelle sozial privilegiert, gebildet, religiös oder patriotisch … man ist ganz einfach Mensch. Ein Mensch zudem, mit dem kein Profit mehr zu machen ist… und dessen Würde dennoch zählt. Wer diese Lektion verstanden hat, der kann menschliches Leben kaum leichtfertig behandeln….

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 Und doch leidet unsere Welt, ohne Not, aus Mangel an Nächstenliebe. Unnötige Schmerzen, unnötige Wunden, sind gerade die, welche am schwersten mit anzusehen sind. Und doch ist zum Schlagen eben dieser Wunden fähig, wer die Menschlichkeit des anderen vergisst.

Falsch ist, was man zuletzt bereut.

Es gibt keinen leichten Abschied, und keinen richtigen Zeitpunkt für das Letzte „Lebe wohl“. Der letzte Gang wird sich niemals „richtig“ anfühlen, wie könnte er auch. Aber „So würdevoll, so menschlich wie möglich“…. ist vielleicht genug.

Irgendwann werden wir vielleicht verstehen, dass nur Schmerz Sinn erkaufen kann.

Doch noch nicht heute, noch nicht morgen. Für den Moment bleibt tiefes Leid.

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