Vor einigen Wochen ist meine ältere Tochter ausgezogen. Sie hatte das vor einiger Zeit so entschieden und eine Richterin ist ihrem Wunsch gefolgt.
Für mich brach (m)eine Welt zusammen!
All die Jahre hatten wir beide ein sehr gutes Verhältnis zueinander gehabt. Wir waren zusammen mit ihrer Schwester ein eingeschworenes Team. Sicherlich gab es auch bei uns etliche Herausforderungen und bei 3 starken Persönlichkeiten fliegen auch schon mal die Fetzen 😉
Anfang diesen Jahres jedoch geriet meine ältere Tochter immer mehr in die Strömungen von Außen und sie wandte sich leider immer mehr von uns ab.
Alle meine Bemühungen wieder in ein gutes Gespräch zu kommen und gemeinsam einen besseren Weg zu finden, schlugen fehl.
Ich organisierte Hilfe, die jedoch mir nicht half. Die ersten Symptome eines „Broken-Heart-Syndroms“ zeigten sich und es sollte noch schlimmer kommen!
Die Art und Weise ihres dann sehr plötzlichen Auszuges und der Kontaktabbruch danach – all das von einem „äußeren Strom“ gesteuert – ist für mich menschenverachtend!
Mein endgültiger Zusammenbruch war somit unausweichlich, sowohl psychisch als auch physisch. Nur wenige Tage später fand ich mich in der Notaufnahme mit Verdacht auf Lungenembolie wieder.
Glücklicherweise gab es bald Entwarnung doch der Schmerz auf allen Ebenen war alle Sinne betäubend.
Die Trauer überrollte mich mit all ihren Facetten und mit all ihrer Wucht. Es war zeitweise kaum auszuhalten und nur dank kompetenten Fachpersonen und wertschätzenden Freundinnen überlebte ich auch diese grauenvollen Stunden.
Ich hatte und habe meine Tochter verloren und nein, sie ist nicht gestorben, sie ist einfach nur weg. Doch für mich ist das in manchen Momenten dasselbe. Die Zeit mit meiner Tochter, in denen wir zusammenlebten und gemeinsam Pläne schmiedeten ist vorbei. All die Träume und Wünsche, die wir vor geraumer Zeit noch hatten, existieren nun nicht mehr.
Unsere gemeinsame Zeit ist vergangen und nicht nur das betrauere ich! Sie fehlt mir unendlich!
Natürlich kommt irgendwann die Zeit, wo unsere Kinder ausziehen. Manchmal ist es sehr lange vorher geplant, zusammen ist man im Gespräch und gestaltet sogar den Auszug gemeinsam.
Trotzdem fallen vor allem die Mütter danach oft in ein Loch, wofür vor vielen Jahren der Begriff „Empty-Nest-Syndrom“ definiert wurde. Jahrelang war man als Mutter für einen oder gar mehrere Menschen verantwortlich und plötzlich gehen sie ihren eigenen Weg und aus dem Haus.
Wir sind mit Einsamkeit und Trauer konfrontiert, was Beides auf verschiedene Art und Weise sehr schmerzhaft ist.
Auf seine eigene Art und Weise Abschied von der gemeinsamen Zeit zu nehmen ist gut und auch entscheidend für den weiteren Lebensweg.
Generell plädiere ich schon immer dafür, sich in all diesen Situationen, Lebensphasen frühzeitig Unterstützung jeglicher Art an seine Seite zu holen. Weiterhin plädiere ich dafür, diese Unterstützung immer wieder gut für sich zu überprüfen.
Trauernde brauchen vor allem anfangs einen Raum, in dem sie so sein dürfen wie sich gerade fühlen. Ohne Verurteilungen, ohne Ratschläge, ohne Lösungsideen. All das ist eher kontraproduktiv und oft auch übergriffig.
In unserer Gesellschaft gibt es jedoch noch lange nicht genug dieser Räume und nicht jeder Mensch hält es aus, wenn sein Gegenüber „einfach“ nur mal weint!
Einfach nur zu SEIN, ist sehr befreiend und wertschätzend. Es bindet Vertrauen und im nächsten Schritt kann dann auch gemeinsam nach Lösungen etc. geschaut werden. Das Tempo sollte jedoch der Trauernde bestimmen!
Für mich ist Trauer allgegenwärtig, denn es gibt so viele Momente und Situationen im Leben, die uns in die Trauer verfallen lassen. Trauer sollte gelebt werden! Es muss nicht immer Jemand sterben!
Wenn der Partner einen verlässt und sich in kürzester Zeit mit Jemand Anderem das Leben aufbaut, was man sich immer gemeinsam gewünscht hat, wirft einen das ebenso komplett aus der Bahn.
Nicht erfüllte Wünsche, zerplatzte Träume, nicht mehr erreichbare Ziele etc. erschüttern uns und sollten daher unbedingt auch betrauert werden.
Ein runder Geburtstag, eine Kündigung, ein Wohnortswechsel und noch etliches mehr sind alles Momente, wo es auch um das Abschied nehmen und um das Leben mit einem Verlust geht.
Wir sollten uns dem stellen! Es holt uns sonst immer wieder ein!
Und Niemand braucht dabei alleine zu sein!
Halte also Ausschau nach wohlwollenden Menschen, die mit Dir, so wie Du gerade bist, in Deinem Tempo ein Stück Deines eigenen Weges durch Deine persönliche Trauer gehen.
Ich wünsche Dir viel Glück dabei und danke, dass ich meine momentane Trauer hier mit Dir teilen durfte!
Kontaktabbruch in der Familie – ein weiteres Tabuthema
Ein Kontaktabbruch zu den eigenen Eltern, Kindern und Geschwistern ist gar nicht so selten. Es ist in vielen Familien gegenwärtig und in der Gesellschaft oft noch ein schambesetztes Tabuthema. Darüber, wie viele Menschen in Deutschland davon betroffen sind, gibt es keine gesicherten Zahlen. Soziologen schätzen jedoch, dass man allein bei der Gruppe der erwachsenen Kinder mit rund 100 000 Kontaktabbrüchen zu ihren Eltern, rechnen müsste.
Die Gründe, warum Menschen sämtliche Verbindungen zu einzelnen Verwandten oder der ganzen Familie kappen, sind vielfältig und höchst individuell. Allen gemein ist dem endgültigen Auslöser geht ein jahrelanger Prozess mit großen emotionalen Stress voraus – niemand trifft diese auch für sie drastische Entscheidung von jetzt auf gleich.
Ein Aspekt, der sich laut Expert*innen in den betroffenen Familien häufig finden lässt, ist das Problem der Transgenerationalen Weitergabe. Es ist wissenschaftlich gut erforscht, das problematische familiäre Dynamiken bis zur 7. nachfolgenden Generation unbewusst weitergegeben werden können, sollten sie nicht aufgelöst werden. Fragt man betroffene Eltern, können viele selbst von Erfahrungen in einem problematischen Elternhaus berichten. Der Blick auf die Familienhistorie und die dahinterliegenden Dynamiken kann beim Verstehen und Aufarbeiten helfen.
Es ist für die Beteiligten eine traurige und schwierige Situation, unter der alle leiden. In den meisten Fällen treffen sie auf wenig bis kein Verständnis für ihre Situation und sind dazu mit Bemerkungen, Schuldvermutungen und -Fragen konfrontiert. Hilfe finden Betroffene bei Selbsthilfegruppen und bei spezialisierten Therapeuten.