Kinder leben in uns weiter, auch wenn sie gestorben sind. In unseren Leben sind Kinder Lichtpunkte und die Erinnerung und Liebe leuchtet hell.
Als ich zum ersten Mal von der ‚Aktion Lichtpunkt‘ hörte, war ich sehr berührt. Ich kenne die Realität der Hinterbliebenen nicht nur aus der ‚Beobachterrolle‘ – ich bin Teil einer betroffenen Familie.
Es gibt Verwandte und Freunde, mit großem Mitgefühl, die eine außergewöhnliche Hilfe sind. Doch die meisten betroffenen Familien stehen irgendwann vor einer wachsenden Kluft, die sich zwischen ihnen und ihrer Umwelt auftut. Die Gründe für den Rückzug des Umfelds sind Angst vor dem, was nicht sein darf und der daraus folgenden Sprachlosigkeit. Die alles überlagernde Hilflosigkeit kann für manche Menschen so gravierend sein, dass sie den Hinterbliebenen aus dem Weg gehen.
Der Tod eines Kindes ist grausam und lässt die Welt anhalten und verstummen. Ein sehr schweres Schicksal für Eltern, Geschwister, Großeltern und alle Zugehörige. Selbst aus dem Leben gerissen und mit der Sehnsucht, mit ihrem Kind in Verbindung zu bleiben, wächst in den Hinterbliebenen der Wunsch nach ehrlicher, realer Wahrnehmung und Anerkennung des erlebten Schicksals.
Ein Zeichen für Anteilnahme und Solidarität
Seit 2012 gibt es die Aktion Lichtpunkt, die sich den Belangen der betroffenen Familien und Zugehörigen verschrieben hat. Sie machen auf das Schicksal und die Probleme aufmerksam und zeigen auf, dass Solidarität und Anteilnahme in der Gesellschaft dringend notwendig sind. Als sicht- und fühlbares Symbol entstand dazu der Lichtpunkt, eine weiß goldene Trauernadel, die ganz nah am Herzen getragen werden kann – seit 2013 das offizielle Symbol für verstorbene Kinder – und eine digitale Landkarte, auf der die Lichtpunkte leuchten können.
Jeder Lichtpunkt erinnert an ein Kind, das wir schmerzlich vermissen
Auf der Karte deutlich sichtbar, hinter jedem leuchtenden Punkt steht eine eigene Lebensgeschichte. Die Lichtpunkte erstrecken sich, einige mit Namen und weitere mit liebevollen Botschaften versehen, über ganz Deutschland und die Grenzen hinaus. Es sind Botschaften der Liebe und Sehnsucht, von Eltern, Geschwistern, Großeltern, Tanten und Onkeln und vielen weiteren trauernden Zugehörigen.
Ich habe mich zu einem Gespräch mit Stefanie Oeft-Geffarth, der Initiatorin der Aktion Lichtpunkt verabredet, um mehr über diese besondere Aktion zu erfahren.
Gab es diesen einen Moment, oder Situation, als Initialzündung für die Idee zur Aktion-Lichtpunkt?
Ja, das gab es tatsächlich, als wir das erste Mal beim VEID – Bundesverband verwaiste Eltern und trauernde Geschwister e.V. in Leipzig saßen. Nachdem wir Convela* gegründet hatten, wurden wir von VEID e.V. zu einem Gespräch eingeladen. Wir sprachen über die Arbeit des Verbands, den Bedürfnissen verwaister Eltern, unseren Ideen und wie wir den VEID e.V. unterstützen können. Es ist sehr viel Arbeit, insbesondere ehrenamtliche Arbeit, um die Hilfsangebote des Verbands für die Betroffenen zu ermöglichen und auch aufrechtzuerhalten. Das Thema Geld wiegt sehr schwer, da alles auf Spendenbasis läuft. Es war klar, es braucht öffentlichkeitswirksame Aspekte und eine Möglichkeit womit Geld generiert werden kann, damit sie weiterhin Hilfe anbieten und auch für alltägliche Zwecke wie die Miete für ihre Büroräume verwenden können. Mir ist das intrinsische Motiv besonders wichtig und dieses Gespräch gab mir die Möglichkeit, ein Gefühl dafür zu bekommen, Bedürfnisse und Gefühle dahinter kennenzulernen. Gemeinsam war uns sehr schnell klar, dass die kleine weiße Trauernadel ein sehr schönes Zeichen für verstorbene Kinder ist.
Mit dem Lichtpunkt kann man auf besondere Weise die Erinnerung an sein Kind sicht- und fühlbar machen
Für die Aktion Lichtpunkt gab es von Anfang an sehr viele positive Reaktionen. Die Menschen wollen den Lichtpunkt wirklich für sich tragen und gleichzeitig erkannt werden, was auch ein verbindendes Element ist, mit dem sie sich identifizieren. Deshalb war dieses Gespräch mit dem VEID e.V. und den Betroffenen so sinnvoll.
Kann man sagen, dass ‚in Verbindung bleiben‘ ein wesentlicher Teil der Botschaft hinter der Aktion-Lichtpunkt ist?
Ich glaube, das ist ein zentraler Aspekt und sicherlich eines der stärksten Motive, mit dem Tragen des Lichtpunkts für sich im Alltag. Es ist sehr interessant, wir wurden von Anfang an immer wieder gefragt, ob der Lichtpunkt leuchtet. Wir wollten darauf verzichten eine Batterie im Lichtpunkt zu verbauen, aber die Idee den Lichtpunkt auf eine bestimmte Art und Weise zum Leuchten zu bringen, brachte uns dazu die Karte zu entwickeln. Am Anfang war die Karte einfach und rudimentär, und wir setzten die Lichtpunkte einzeln darauf. Ab etwa 2015 hatten wir die erste Karte, mit der Lichtpunkte anhand der Postleitzahlen automatisch positioniert werden konnten. Dann kamen weitere Fragen oder wurden Wünsche artikuliert, wie und wann man seinen Lichtpunkt findet, oder ob man eine Botschaft seinem Lichtpunkt anhängen kann. Inzwischen kann jeder selbst seinen eigenen Lichtpunkt mit Namen und Botschaft eingeben und auf die Karte setzen. Ich finde es eine schöne Visualisierung dessen, dass man mit seinem Schicksal nicht alleine ist. Und so entwickelt sich die Lichtpunktkarte ständig weiter.
Du hast mir erzählt, dass sich Betroffene nur anhand des Lichtpunkts auf Veranstaltungen erkannten und sich so kennenlernten – ein berührender Nebeneffekt
Ja, das stimmt. Ich habe mehrmals von Betroffenen und ihren zufälligen Treffen gehört, wenn sie auf Veranstaltungen plötzlich jemanden anderen sahen, der auch einen Lichtpunkt trägt. Einer von ihnen erzählte mir, wie sie sich in diesem Augenblick zueinander hingezogen und sich durch dieses gemeinsame Schicksal sofort miteinander verbunden fühlten. Solche Geschichten haben sich nun über die Jahre angesammelt. Ich freue mich immer wieder davon zu hören, es ist richtig schön.
Hat sich aus deiner Sicht, seit es die Aktion Lichtpunkt gibt, die öffentlichen Wahrnehmung mit der Thematik verändert?
Wir sind einer der kleinen Bausteine, die stattfinden, und wie du jetzt, zum Beispiel mit dem Magazin, tragen wir dazu bei, dass grundsätzlich die Themen in die Öffentlichkeit kommen. Ich denke, dass sich in den letzten Jahren diesbezüglich etwas getan hat. Die Aufmerksamkeit und die Wahrnehmung sind höher geworden. Wir sind aber natürlich noch weit davon entfernt, dass es tatsächlich ein Thema ist, mit dem sich viele Leute auseinandersetzen.
Was wird aus deiner Sicht noch benötigt?
Erst einmal gibt es die analoge Ebene und das ist tatsächlich das, was Trauer mit einem macht. Durch die Arbeit des Verbands für verwaiste Eltern, wird das ja sehr schön deutlich. Für Eltern, die ihre Kinder verlieren, brechen nicht selten Beziehungen weg und manchmal auch ihre ganzen Familien komplett auseinander. Nicht wenige Eltern zerbrechen selbst. Als wir 2012 damit anfingen, war klar, hier fehlt generell eine Art Lobby und ist eigentlich ein Zustand, den sich eine Gesellschaft gar nicht leisten kann. Auch für Familien mit Lebens-verkürzt erkrankten Kindern. Sie alle brauchen jede Unterstützung, die sie nur bekommen können. Über die Trauerforschung sind auch viele Sachen passiert. Ich war auf der Veranstaltung „Heilsame Abschiede“ beim Vortrag von Frau Professor Dr. Wagner. Sie leitete Studien zu anhaltender Trauerstörung und hat erzählt, dass Trauer als eigene Diagnose in die neue Version des ICD 11 – Klassifikationssystems für medizinische Diagnosen aufgenommen wurde (Anmerkung: tritt am 01. Januar 2022 in Kraft). Das ist ein Anfang und ein wichtiger Schritt für die Betroffenen, die traumatisches erleben.
Die Aktion Lichtpunkt ist eine Non-Profit-Organisation, die mit dem
Erlös aus dem Verkauf der Lichtpunkte verschiedenste Initiativen unterstützt. Wie wählt ihr die aus?
Die Informationen und Vorschläge werden uns zugespielt. Darüber hinaus kennen wir selbst natürlich mittlerweile eine Menge Leute. Der Bundesverband Kinderhospiz e.V. zum Beispiel, erhält gespendete Lichtpunkte, die er auf einzelne Hospize verteilt, und die dort dann die betroffenen Familien erhalten. Am Ende der Aktion wird außerdem die Summe, die sich aus dem ‚Lichtpunkt spenden‘ ergibt, an eine dieser Initiativen überwiesen.
Welchen Wunsch hegst du für die Belange der Betroffenen und auch für die Aktion-Lichtpunkt?
Wir haben aktuell 20.000 Lichtpunkte, die darauf warten, zu ihren Empfängern kommen. Für mich gibt es nichts Schöneres, als wenn die Lichtpunkte unter die Leute kommen. Was mir lieb wäre, dass man sich stärker solidarisiert und Anteil nimmt.
Dem kann man sich nur anschließen.
Hast du eigene Erfahrungen machen müssen? Wie sind deine Gedanken und Ideen dazu?
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Bo Hauer www.naturheilpraxis-wm.de und www.praxisammarienplatz.de