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Wenn du meine Kolumne regelmäßig liest, weißt du, dass im vergangenen Herbst mein Vater verstorben ist . Heute, fast neun Monate später, hat sich zwischen uns eine völlig neue Beziehung entwickelt. Eine Tatsache, die mich sehr glücklich macht. Es ist schön zu wissen, dass da drüben auf „der anderen Seite“ jemand ist, der für mich da ist.

Zu seinen Lebzeiten hatten wir nicht das innigste Verhältnis. Zu sehr stand es unter dem Einfluss der Schreckensherrschaft meiner Herkunftsfamilie, in der es nicht genügend Freiraum gab, der dies ermöglichte. Und ja, das Wort Schreckensherrschaft mag in deinen Ohren krass klingen. Ich habe es jedoch bewusst so gewählt, einfach weil es in meiner Wahrnehmung so gewesen ist.

Möglichkeiten, eine innige Beziehung zu gestalten gab es reichlich. Das wird mir gerade bewusst, während ich die Worte Zeile für Zeile in die Tasten meines Laptops tippe. Mir kommen unzählige Begebenheiten und Erinnerungen in den Sinn, in denen potenziell das Feld dafür offen gewesen ist. Doch Prägung, Zwänge und allerlei Familientraumata verboten dies.

Die schönsten und unbefangensten Zeiten in meiner Kindheit und frühen Jugend waren zwei mal zwei Wochen pro Jahr, in denen wir Geschwister mit unserem Vater komplett alleine zu Hause gewesen sind. In diesen zwei Wochen wurde bei uns so viel gelacht, gab es so wenig Streit und war es so ungezwungen wie sonst nie. Jetzt gerade wird mir bewusst, dass in eben jener Zeit der Grundstock für die neue Beziehungsgestaltung gelegt wurde, die Papa und ich nun haben. Na, und unsere morgendlichen Kuscheleinheiten, bis ich etwa drei Jahre alt wurde. An die erinnere ich mich altersbedingt jedoch nicht bewusst. Kenne sie ausschließlich vom Hörensagen. Dennoch fühle ich in den Zellen meines Körpers, die Erinnerung ist wahr.

Vieles wurde mir in Bezug auf meinen Vater tatsächlich erst nach seinem Tod klar. Zum Beispiel war er der Erste und lange Zeit der einzige Mensch in meinem Leben, der mich bedingungsfrei liebte. Häufig spüre ich seine Anwesenheit. Etwa Anfang dieses Jahres hatten wir so etwas wie eine Auseinandersetzung. Mir fällt einfach kein besseres Wort ein und irgendwie beschreibt es die Situation am besten. Mir fiel es leicht an ihn zu denken, wenn ich einen äußeren Anlass als Verknüpfung hatte. Etwa an Weihnachten, als ich Rotkohl und gekochte Klöße nach seinem Rezept gekocht habe. Beides brachte er mir bei. Oder wenn ich mit Holz arbeite, dann habe ich mich auch an ihn erinnert. Er war Tischlermeister. Im Januar dieses Jahres war es, dass ich grüne Klöße kochen wollte. Als Kind habe ich sie gehasst und habe sie deshalb bislang noch nie selbst zubereitet. Dennoch kenne ich das Rezept und war oft genug dabei, wenn er kochte. Ich kenne die Fallen und Kniffe, aber was soll ich sagen, sie gingen in die Hose. Die perfekt geformten Klöße banden sich beim Ziehen im Wasser ab und zerfielen in seine einzelnen Bestandteile. Also gab es doch Nudeln zum Gulasch, obwohl wir die partout nicht wollten. Das Leben macht nun mal, was es will.

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Jessica Josiger

Ich bin ehrlich. Ich war enttäuscht von Papa, weil er mir dieses Mal nicht geholfen hat. Eine Freundin, die ebenso mit den Toten sprechen kann wie ich, richtete mir von meinem Papa aus, dass er es gewesen ist, der die Klöße zerfallen ließ. Ich war sooo sauer auf ihn. Meine Freundin erklärte mir, es sei der Wunsch meines Vaters, insgesamt Teil unseres Lebens zu sein und nicht nur dann, wenn bestimmte Ereignisse oder Erinnerungen mit ihm in Verbindung gebracht werden. Diese Information saß. Viele Emotionen kamen in mir hoch und zeigten sich in meinem Körper. Allen voran Hilflosigkeit und Wut. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie das gehen soll, gab es doch keinerlei Grundlage und Erfahrungswerte, auf die ich aufbauen konnte. Auf die wir beide aufbauen konnten. Genau das sagte ich ihm dann auch. Unter der Dusche war das. Das funktioniert immer am besten bei mir. Wenn mich etwas beschäftigt, ich über Dinge nachzudenken und -fühlen habe, geht die Verarbeitung am besten entweder auf einem Spaziergang, beim Zähneputzen oder wie in diesem Fall, beim Duschen. Also redete ich mit Papa. Fragte ihn, wie er sich das Ganze vorstellte. Ließ meiner Wut, meiner Hilflosigkeit und meinen Tränen freien Lauf und führte in dieser Art ein ziemlich offenes Gespräch mit ihm. – Ich weiß, dass sich für dich all das vielleicht ein wenig seltsam klingen mag. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass die Toten uns begleiten, wir sie spüren und auch hören und wir mit sprechen können. – Jedenfalls, am Ende unseres „Gesprächs“ habe ich mir alles von der Seele geredet und Entspannung kehrte ein.

Ich oder besser wir, hatten im Anschluss noch immer keine Lösung für Papas Anliegen, doch darum ging es in dem Moment gar nicht. Dennoch eröffnete dieses Ereignis ein völlig neues Feld unserer Vater-Tochter-Beziehung.

Heute ist es so, dass es vor allem zwei Bereiche gibt, in denen er ganz präsent da ist und mich unterstützt. Das ist zum einem in meinem Business, denn in diesem Punkt haben wir eines gemeinsam: Wir sind Unternehmer und diese Energie ist es, die ich brauche, um voranzukommen und mich geschäftlich weiterentwickeln zu können. Noch eines haben wir in diesem Punkt gemeinsam. Wir beide haben Grundwerte, für die wir einstehen. Seine waren völlig andere als meine, doch das spielt keine Rolle. Es geht vielmehr um die Fähigkeit für sich und seine Werte einzustehen. Genau das tat er zu seiner Zeit und ich heute zu meiner Zeit. Jeder auf seine Art. Zum anderen ist er so etwas wie der Schutzpatron meiner Partnerschaft und meines Familienlebens. Er sorgt dafür, dass sich der Plan unter dem Mantel der bedingungslosen Liebe erfüllt. Ein Gefühl, für das mir die Worte fehlen. Stattdessen belasse ich es an dieser Stelle dabei und lade dich ein, die Energie hinter meinen Worten nachzuspüren. Dann bekommst du vielleicht eine Ahnung davon, was ich meine.

Mein größtes Fazit aus diesen völlig neuen Erfahrungen ist im Kern folgendes:

Der Tod ist nicht das Ende von Beziehungen. Ganz im Gegenteil. Der Tod ändert lediglich die Form. Er ist der Anfang einer völlig neuen Gestaltungsebene der Beziehung zu deinen Liebsten.

Mit den Worten von Hermann Hesse schließe ich meine heutige Kolumne:

“Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne”.

Hermann Hesse

In Liebe,
deine Jessica

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