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Die große Wahrheit und das kleine Kind …

Photo by Daria Shevtsova from Pexels
Daria Shevtsova Pexels
3-2020

Vor Kurzem hatte ich ein Gespräch mit einem sehr interessanten Menschen. Unser Austausch wurde ausgelöst, durch den Umgang bzw. die Rolle der Religion in unserer Gesellschaft. Vielleicht geht es dir auch so, dass du den Zugang zu der Glaubensrichtung mit der du aufgewachsen bist, verloren hast? Kommst du jedoch in eine Krise, erinnerst du dich wieder, dass es eine Anlaufstelle in der Kirche gibt. So ging es jedenfalls mir, als ich meine Grosseltern informieren musste, dass ihre Tochter – meine Mutter – verstorben ist.

Mit dieser herausfordernden Situation war ich komplett überfordert. Besonders der Umstand, dass sie bereits das zweite Kind verloren, blockierte mich in der Überbringung der Hiobsbotschaft. Selbst bin ich kein Elternteil, aber ich kann mir vorstellen, wer selbst bereits gegen die Hundert Jahre zählt, würde vieles dafür tun, damit das eigene Kind einem überleben dürfte. Vielleicht gilt dies sogar immer, wenn man Eltern ist.

So haben sich meine Schwester und ich in unserer Not an den Pfarrer gewandt. Er hat uns dabei unterstützt, meinen Grosseltern die traurige Botschaft zu verkünden. Wir vertrauen ihm und wissen, dass er für sie eine wichtige Ansprechperson ist. Deshalb bin ich ihm sehr dankbar, dass er sich spontan Zeit nahm. Für immer wird in meinem geistigen Auge eingebrannt bleiben, wie wir zu Dritt den Weg zum Wohnhaus meiner Grosseltern hochgingen. Mein Grossvater war zufälligerweise vor dem Haus und wischte den Weg. An einem Freitagmorgen sind wir ansonsten nicht auf dem Hof vorzufinden. So war er sehr verwundert uns zu sehen. Er wusste jedoch sogleich, was geschehen ist, als er den Pfarrer in unserer Begleitung sah. Seinen Gesichtsaudruck voller Schmerz zu erleben, war sehr schwer für uns alle. 

Wege und Entscheidungen

Im Nachhinein habe ich mir oft überlegt, ob und wie wir es anders hätten gestalten können. Zwar war es sehr schön, den Pfarrer an unserer Seite gehabt zu haben. Er nahm uns etwas Angst und stützte uns. Ebenfalls nahm er sich Zeit, auf einen Kaffee zu bleiben. So konnten Erinnerungen ausgetauscht und bereits erste Planungen für die Beerdigung besprochen werden.


Andererseits fühlte ich mich schuldig, dass ich die Kirche zwar in grosser Not aufsuche, ansonsten aber nicht mehr unterstützte, da sie inzwischen entfernt von meiner Lebenswahrheit ist. Persönlich bin ich zwar mit Kirchenbesuchen und christlicher Religion aufgewachsen. Mitte Zwanzig habe ich jedoch beschlossen, anstelle auferlegter Steuern, selbst zu entscheiden wohin mein jährlich gespendetes Geld hingehen soll. Aus diesem Grund bin ich nach langem Zögern aus der Kirche ausgetreten. Mein Glaube ist mir weiterhin sehr wichtig und ich bin seit jeher, seit dem Tod meiner Mutter sogar intensiver, davon überzeugt, dass es da etwas Jenseits unserer Wahrnehmung gibt. So gross, dass es uns Angst macht. Für mich ist diese Tatsache völlig logisch, wenn ich die Natur betrachte. Etwas, was uns leider durch die Zeit verloren ging.


Mein Besuch an der Nordsee diesen Sommer erinnerte mich wieder daran, wie viel näher wir der Natur sein können. Seit Generationen werden dort ganze Leben auf sie abgestimmt und ihre Vorgaben als Vorbild genommen. Das Wissen stirbt jedoch auch dort leider langsam aus. So wie der Bezug zu der Institution Kirche. So suchen viele Menschen aktuell neuen Zugang zum Glauben und der Integration in den Alltag. Die Frage nach dem großen Unbekannten, welches viele wahrnehmen und nicht einordnen können, wird immer lauter. So wird – oft verzweifelt – die persönliche Antwort mit Hilfe von Spiritualität gesucht. Besonders in Krisen versprechen wir uns die Hilfe von “oben”. Fleissig testen wir uns durch Yoga, Meditation und Co, um festzustellen, dass es selbst da kein Patentrezept gibt, welches im copy-paste Verfahren für alle Menschen gleichermaßen gilt. 

Was, wenn du bereits vor einer Krise versuchst, dein Leben so zu gestalten, dass es zu dir passt?

Indem Du damit beginnst, Dich so zu zeigen, wie Du wirklich bist. Stück um Stück der Maske abfallen lässt, welche in Deinem Alltag trägst, weil Du glaubst sie zu brauchen. Dich fragst, was Dir wirklich Spass macht. Auf Dein Innerstes hörst und in die Umsetzung gehst? 

Von zwei Ergebnissen bin ich überzeugt:

  1. Wenn Du Dich selbst bist, erhält die Welt ihre Chance, wieder eine bessere zu werden. In dem Du Dich zeigst, wie Du wirklich bist, können Dir die Menschen wieder näher kommen. Dich unterstützen, wenn es harzig läuft. Mit Dir feiern, wenn Du persönliche Meilensteine erreichst. Und selbst wieder den Mensch erkennbar machen, der unter ihrer Maske steckt. 
  2. Je früher Du Dich auf Deinen Weg begibst, desto gestärkter kannst Du durch Krisen gehen. 

Für mich entspricht das Leben symbolisch einer Wendeltreppe, bei der Du nie weisst, was Dich nach der nächsten Wendung erwartet. Der Lauf der Zeit bringt Dich mal auf die Sonnenseite, mal auf die Schattenseite. Die Aussicht bleibt jedoch immer die Gleiche. Ab und zu stolperst Du oder fällst gefühlt etwas zurück. Immer wieder rappelst Du Dich auf und versuchst Schritt für Schritt vorwärts zu gehen. 


Da Du nicht siehst, was Dich als nächstes erwartet, treten gerne zwischendurch die Herren und Damen Nervosität und Zögern auf den Plan. Mit dem Wissen um die Endlichkeit des Lebens, überkommt Dich vielleicht auch manchmal die Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen. Ebenfalls weisst Du auf der Wendeltreppe stehend nicht, wann, wo und wie sie endet.

So kann Dein antrainierte Perfektionismus Dich schon mal ausbremsen und vor dem nächsten Schritt oder einer fälligen Entscheidung abhalten. Doch was, wenn jede Entscheidung, die Du aktiv triffst immer absolut richtig ist? Weil Du von Deiner Intuition geführt wirst? Magst Du aktuell den Zugang etwas aus den Augen verloren haben: Sie ist immer da und will sich Dir zeigen. Kleine Versuche eignen sich gut, um zu testen ob Du ihre Sprache noch verstehst. 

“Gehört sich das so?”

“Kann ich das so machen?”

Diese Fragen versuche ich seit längerem, mal mehr und mal weniger erfolgreich, aus meinem Leben zu verbannen. Genauso wie die ständigen Bewertungen in richtig und falsch, gut oder schlecht. Zugegeben, das ist nicht immer so leicht. Und klar, benötigen wir als Gesellschaft die eine oder andere kollektive Regel, um ein Miteinander lebenswert gestalten zu können. Aber besonders in der Trauer durfte ich lernen, dass es hauptsächlich und zuerst darauf ankommt, was für mich passt. Denn nur so bin ich überhaupt in der Lage, meine lieben Mitmenschen zu unterstützen. 

Dein inneres Kind

Wir alle sind und bleiben unser Leben lang Kinder. Jedoch haben wir verlernt ihre Bedürfnisse wahrzunehmen. Oft frage ich mich, wie unsere Welt sich gestalten würde, wenn sich mehr Menschen regelmäßig mit ihrem inneren Kind verbinden. Wie viel weniger blockierende Schuldgefühle und limitierende Glaubenssätze gäbe es wohl? Anstelle dessen viel mehr Mut, um eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und selbständig für sie einzustehen.  


Ein einziger Tag, an Du Dir stets diese Frage stellst “Was würde ich heute tun, wenn ich wieder acht Jahre alt wäre?” kann schon viel verändern. 

Vielleicht gönnst Du Dir einen kreativen Tag voller er-leben? Zurück zu dem kleinen, vertrauensvollen Kind, welches Du mal warst. Das irgendwo in Dir immer noch schlummert und darauf wartet wieder geweckt zu werden. 

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