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Stark sein

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Alexandra Kossowski Kolumne 'LEID & FREUD'
2-2022

Du musst jetzt ganz stark sein“

Hach, wie oft habe ich das schon gehört.
Ich erinnere mich an die Geschichte einer jungen Dame: „Ich war 10 als meine Mutter starb und meine Tante sagte mir damals, dass ich jetzt stark sein muss für Papa“. 

Wir alle wissen, was die Tante gemeint hat. Was die Tante aber nicht wusste: Von nun an bemühte sich das Mädchen stark zu sein. Für Papa. Für die Geschwister. Aber nicht für sich selbst.

Diese „gut gemeinten“ Sätze, Rat-Schläge und Anweisungen werden manchmal von jungen Menschen wörtlich verstanden und wörtlich umgesetzt.

15 Jahre später sitzt die junge Frau bei mir in der Trauerbegleitung. Depressionen plagen sie und irgendwann in der Therapie ist ihr aufgefallen, dass sie nie getrauert hat um ihre Mutter. Denn sie musste ja immer stark sein.

Kinder versuchen die Lücke zu schließen

Auch wenn Geschwister versterben versuchen Kinder oft die Lücke zu schließen und für Mama und Papa stark zu sein. Das Umfeld reagiert oft nur auf die Eltern: „Oh nein, sie haben ein Kind verloren.“, aber dass Geschwister auch einen Bruder oder eine Schwester betrauern wird oftmals unterschätzt bzw. vergessen. 

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Sehr häufig berichten mir Geschwisterkinder, wie schwer es ihnen fällt Mutter und Vater so traurig zu sehen. Dann wird alles versucht Mama und Papa wieder aufzuheitern. Ab jetzt stecken die überlebenden Geschwister zurück, damit Mama und Papa nicht noch mehr zu tun haben. Sie kümmern sich und tun alles, damit es Mama und Papa endlich wieder gut geht.

Das ist eine normale Reaktion, die aus unserem Bindungsverhalten rührt. Als Kinder verlassen wir uns darauf, dass sich unsere Eltern um uns kümmern. Wenn uns als Babys niemand füttert, dann sterben wir. Und so behalten wir es bei. Wir passen uns an, kümmern uns um unsere Eltern, wollen, dass es ihnen gut geht, weil es dann auch uns gut geht.

Und übersehen dabei unsere eigene Trauer.


Worte mit Bedacht wählen
Es ist wichtig, wie wir mit trauernden Kindern und Jugendlichen sprechen. Dass wir ihnen beibringen, dass ihre eigene Trauer wichtig ist. Dass sie nicht stark sein und nicht für Mama, Papa und andere Geschwister da sein müssen.


Es gibt Familientrauerbegleitung, Anlaufstellen und wahrscheinlich auch Hilfe aus dem eigenen Umfeld. Wenn die Eltern aufgrund ihrer eigenen Trauer nicht für die Kinder da sein können –und auch das ist völlig ok und normal- dann ist es wichtig, dass andere Helfende einspringen. Und auch das den Kindern erklären. 


Niemand, erst recht kein Kind oder Jugendlicher, muss für jemand anderen stark sein. Sicherlich muss ich Gefühle aushalten und fühlen lernen. Aber gerade „stark sein müssen“ impliziert, dass schwach sein falsch ist. Damit verbinden wir vielleicht auch weinen, müde sein, traurig sein. Und wenn wir uns all das verbieten, dann schneiden wir unsere eigenen Gefühle ab. 

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Ein Vorbild in der Trauer sein

Vorbild sein bedeutet für mich nicht, dass man immer alles perfekt und richtig macht. Vorbild sein bedeutet für mich, dass wir authentisch etwas vorleben. Und authentisch heißt auch, die eigene Trauer und Verletzlichkeit zu zeigen. Denn nur so können unsere Kinder einen guten Umgang mit Trauer (und allen anderen Gefühlen) lernen.
Und dann werden wir ganz automatisch gemeinsam stark….

Kolumne 'LEID & FREUD'
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