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Schuld – Fluch und/oder Segen?!?

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Schuld - Fluch und/oder Segen?!?
3-2020

Der Verlust eines geliebten Menschen und die damit einhergehende Trauer, bringen eine Fülle von Emotionen, Gefühlen und Gedanken mit sich – und dies in unterschiedlichsten Dimensionen und Intensionen. Die meisten davon kennen wir und haben diese bereits einmal gefühlt und durchlebt. Vielleicht aber nicht so tief und intensiv und sicher nicht mit so vielen anderen Eindrücken gepaart.

Als TrauerCoach ist es mir wichtig, diese vielen Impulse ein wenig zu sortieren, zu benennen und die Funktion dahinter zu entdecken. Sehr oft stoßen wir hier auf ein Gefühl der Schuld. Ganz besonders intensiv erlebe ich diese Schuldgefühle bei meiner Arbeit in der Krisenintervention – in der Betreuung von Menschen unmittelbar nach einem belastenden Ereignis. Sei es der Vater, der sich schuldig fühlt, weil er dem Sohn das Auto geliehen hat oder der Lokführer der nicht mehr anhalten konnte. Man ist hier versucht zu sagen, „hey – Eltern leihen nun mal ihren Kindern das Auto, damit sie ins Kino fahren können und ein Zug hat nun mal einen Bremsweg von 1.000 Metern oder mehr und

– Du hast keine Schuld –

Davon möchte ich aber unbedingt abraten. Denn diese Schuldgefühle haben eine wichtige Funktion. Leider ticken wir in unserer Gesellschaft jedoch sehr ziel- und lösungsorientiert, was uns oft nach vorne bringt – in diesem Fall aber nicht dienlich ist.

Ich möchte sehr gerne eine Erfahrung mit euch teilen. Es geht um Ramona. Ramona hat den Weg zu mir gefunden, weil sie Unterstützung suchte im Umgang mit dem Tod ihrer Mutter. Die Besonderheit hierbei war, dass Ramona mittlerweile eine junge Dame Ende 20 war – der Tod der Mutter lag bereits 20 Jahre in der Vergangenheit. Sie sagte zu mir: „Markus, mein Kopf und Verstand sagen mir, dass es völliger Blödsinn ist – aber ich habe in mir drin so ein starkes Schuldgefühl. Ja, ICH fühle mich schuldig am Tod meiner Mutter, weil ich vermutlich nicht immer lieb war und sie darum einen tödlichen Herzinfarkt hatte. Warum habe ich dieses Gefühl, obwohl ich weiß, dass ich natürlich keine Schuld habe???“

Lasst uns diese Situation mal schweren Herzens näher betrachten. Wie fühlt sich denn ein kleines Mädchen, dessen Mutter völlig unerwartet von jetzt auf gleich aus dem Leben gerissen wurde? Wie fühlt sich eigentlich jeder dem ein wichtiger und geliebter Mensch unwiederbringlich genommen wird? Ich würde sagen sehr hilflos, machtlos und ohne Kontrolle über diese Situation. Du kannst nichts dagegen tun, du kannst es nicht ändern. Und genau dieses Gefühl der Hilflosigkeit ist oft kaum zu ertragen. Warum also können Schuldgefühle eine wichtige Funktion erfüllen?

In dem Moment, wo ich mir selbst die Schuld geben kann, habe ich auch wieder selbst die Kontrolle über die Situation. Das Gefühl ist sicher nicht besser, aber erträglicher als dieser unbändige Kontrollverlust. Hier geht es nämlich um eine essentielle Angst – die Angst, dass einem alles entgleitet. Dem wird ein kognitiver Riegel vorgeschoben. Ich gebe mir die Schuld, dann hab ich wieder ein bisschen was im Griff in dieser furchtbaren Zeit. Und darumauch weil hinter diesen Schuldgefühlen eine große Hilflosigkeit und eine große Angst steckt, kommt man hier als nahestehender Freund, Verwandter und Begleiter auch nicht dagegen an, indem man diese Schuld mit Fakten und Logik nehmen möchte. Manchmal darf man Dinge auch einfach im Raum stehen lassen. Aber das fällt in unserer Zeit oft schwer, wir wollen ja Probleme lösen, wir wollen die Kontrolle haben – umso früher du selbst und dein Umfeld sich mit dem Gedanken auseinandersetzt, dass die Trauer kein unlösbares Problem, sondern ein heilsamer Prozess ist, umso früher beginnt ein gesunder Weg in die Zukunft.


Dies alles gilt auch für die andere Richtung der Schuld. Je nachdem, was wir erlebt haben, was vorgefallen ist – manchmal geben wir auch jemand anderem die Schuld und manchmal hat auch ein anderer tatsächlich Schuld – dazu später mehr. Selbstverständlich hat das Schuld geben die gleiche Funktion – raus aus der Hilflosigkeit und der Wut, um kurzfristig die Kontrolle zu bekommen. Ob ich mir selbst die Schuld gebe oder diese bei anderen suche, ist zum einen eine Frage meiner eigenen Persönlichkeit, genauso aber auch eine Frage der momentanen Trauerstimmung.

Was, aber wenn die Schuldgefühle nicht nur manchmal und phasenweise hochkommen,

was wenn diese uns in der Trauer über einen langen Zeitraum begleiten und eine Dominanz übernehmen? Je größer und stärker die Schuldgefühle am Anfang eines Trauerprozesses waren, je höher ist auch die Ausprägung von komplizierter Trauer und Depressionen. Dies zeigt eine Studie aus dem Jahr 2018 bei der über 1.000 Personen über mehrere Jahre in ihrem Trauerprozess begleitet wurden.

Wie ich Ramona sagte – wenn Kopf und Verstand nicht mehr definieren können, dass man zwar ein großes Gefühl der Schuld in sich trägt, aber dies nicht realistisch begründet werden kann, dann sollte man sich öffnen und weiterführende Hilfe suchen.

Was ist denn nun mit den Menschen, welche sich tatsächlich etwas zuschulden haben kommen lassen?

Selbstverständlich habe ich es auch immer wieder mit Menschen zu tun, welche wirklich „Schuld“ tragen. Schuld an einem tödlichen Verkehrsunfall zum Beispiel? Am Ende bleibt der Schuldspruch doch ein juristischer Vorgang und wir sollten hier lieber von menschlichen Fehlern sprechen. Haben wir nicht alle schon mal Fehler gemacht und dabei einfach unsagbares Glück gehabt? Sei es eine SMS am Steuer gelesen zu haben oder noch schnell bei „dunkelgrünrot“ über die Ampel gehuscht…..etc? Fehler, die an diesem Tag, in dieser Minute von 1.000 Menschen auf der Welt genauso gemacht wurden, aber bei dem einen war es der falsche Ort und die falsche Zeit mit einer fatalen Konsequenz. Auch hier ist es für einen selbst, den anderen und das ganze Umfeld wesentlich heilsamer, versöhnliche Gedanken zu finden auch wenn die Wut ihren Platz haben darf.

Alles Gute – pass auf dich auf!

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