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Kinderhospiz

Photo by Ayswarya Ss from
Ayswarya Ss-Pexels
1-2020

Als ich heute Morgen die große Eingangstür zu meinem Arbeitsplatz betrete, brennt im Vorraum eine Kerze. Davor auf einem Holzstern steht der Name Justus.

Ich weiß schon das Justus in dieser Nacht verstorben ist, da mich die Kollegin aus dem Nachtdienst vor einer halben Stunde angerufen hat, um mich vorzubereiten.

Ich stehe da und halte einen Moment inne.

Justus kommt seit Jahren zweimal im Jahr mit seiner Familie zu uns um „Urlaub“ zu machen. Er hat eine angeborene Erkrankung und von seiner Geburt an war klar, dass er noch im Kindesalter daran versterben wird.

Vor sechs Wochen riefen uns die Eltern an und erzählten, dass es Justus sehr schlecht geht.

Für solche Momente halten wir immer eines der 12 Zimmer bei uns frei um dann Kind und Familie spontan bei uns aufnehmen zu können.

Zwei Tage nach dem Anruf kam Justus mit seiner Familie zu uns.

Es ging ihm schlecht und seine Eltern und seine beiden Schwestern waren am Ende Ihrer Kräfte.

Viele Gespräche, eine Medikamentenumstellung und Zeit verhalfen die Situation etwas zu entspannen. Doch allen wurde klar, Justus würde nicht mehr nach Hause kommen. Justus würde sterben.

Ich ging an der Kerze vorbei und sprach seinen Namen aus – Justus.

Auf einem Holzstern steht der Name Justus”

Ich betrat den Flur des Kinderhospiz meinen Arbeitsplatz, Tränen liefen über meine Wangen. Da kam mir ein kleines Mädchen entgegengelaufen, Mira die Schwester eines unserer Patienten. Wir kennen uns auch schon ein paar Jahre. Vor drei Tagen hat Mira ihren fünften Geburtstag mit der ganzen Familie in der Sternenbrücke gefeiert.

Das hat den Vorteil, dass ihre Eltern ganz viel Zeit für Sie hatten, da eine Kinderkrankenschwester sich bei der Feier mit um Ihre kranke Schwester gekümmert hat.

Mira blieb vor mir stehen und sagte: „Ich bin schon ganz lange wach und hab schon auf dem Wasserbett Buch gelesen. Justus ist tot, wollen wir jetzt was spielen?“

Da ich noch einen Moment Zeit habe bis zur Übergabe vom Nachtdienst zum Frühdienst, gehe ich mit Mira ins Spielzimmer.

Wir spielen einen Moment, dann sagt sie: „Ich finde es blöd, das Justus jetzt tot ist“. „Ja das finde ich auch. Es macht mich wirklich traurig“, antworte ich ihr und wir spielen weiter.

Dann bringe ich Sie zu dem Zimmer wo Sie und Ihre Eltern während ihres Aufenthaltes wohnen, direkt über dem Zimmer ihrer Schwester und wir verabreden uns später wiederzusehen.

Ich gehe zur Übergabe.

Wir sind heute Morgen sechs Fachkräfte plus Schüler und Ehrenamtliche im Dienst. Wir versorgen die Kinder mit einem Stellenschlüssel von eins zu zwei bzw. eins zu eins. Je nach Zustand des Kindes und Art seiner Erkrankung.

Das gibt mir den Raum mich voll und ganz auf die Bedürfnisse der Kinder einzulassen und lässt zusätzliche Gespräche mit Eltern und Geschwistern zu.

Justus und seine Familie werden voraussichtlich noch fünf Tage bei uns bleiben, bis wir ihn dann mit einer Abschiedszeremonie aus dem Haus verabschieden und dem Bestatter übergeben.

Fünf Tage sind das Maximum, solange können wir die Kinder im Abschiedsraum aufbahren, solange es der Zustand des Körpers des Kindes zulässt.

Fünf Tage, in denen die Familie weiter eins zu eins von uns betreut und begleitet wird.

Tage in denen sie so lange und so oft bei ihrem Kind sein dürfen, wie sie möchten.

Der Abschiedsraum ist groß und gemütlich, zentral im Haus gelegen. Auch jetzt sind Sie nicht allein, sondern mitten in unserer Mitte.

Tage um zu begreifen was passiert ist.

Tage in denen sich die Welt wenigstens an diesem Ort etwas langsamer drehen darf.

Tage in denen viel geregelt werden muss, bei dem wir immer mit Rat und Rat zur Seite stehen.

Auch in der Übergabe ist es heute etwas stiller als sonst. Die Kollegin erzählt kurz von Justus letzten Stunden, dass seine Eltern dabei waren und auch seine beiden Schwestern als er verstarb. Dass er in den letzten Stunden kaum noch Medikamente brauchte und es viel stiller war, als viele von uns befürchtet hatten. Wie friedvoll und einig die Eltern Justus in den letzten Stunden beistehen konnten, obwohl sie sich die letzten Jahre oft uneinig waren. Wie liebevoll und selbstverständlich seine Schwestern mit ihm gekuschelt haben, auch nachdem er schon aufgehört hatte zu atmen.

Stille herrscht im Dienstzimmer.

Kein betretenes Schweigen, sondern ein Augenblick in dem Raum ist für Trauer und um Luft zu holen.

Ich ging an der Kerze vorbei uns sprach sprach seinen Namen”

Nach der Übergabe gehe ich mit einer Kollegin in den Erinnerungsgarten.

Ein Ort auf dem riesengroßen Grundstück des Kinderhospiz nicht weit entfernt vom Spielplatz, der neben einem Karussell speziell für Rollstuhlfahrer auch eine für Rollstuhlfahrer geeignete Schaukel hat.

Wir zünden alle Laternen, an die im Erinnerungsgarten stehen, mittlerweile um die 150 Stück.

Jedes Kind, das bei uns im Haus stirbt, bekommt eine Laterne mit seinem Namen darauf und wenn eine neue Laterne dazu kommt werden alle Kerzen entfacht.

Einmal im Jahr am Erinnerungstag werden alle Familien eingeladen und mit einem Fest an alle verstorbenen Kinder gedacht.

Kein Tag ist in diesem Haus, wie ein anderer und es gibt Tage, die sind noch anders!

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