by Norman Staron

Gloria Blau

SINGER - SONGWRITER - SCHWESTER

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9 min Lesezeit

Gloria schreibt wunderschöne Lieder und ihre Texte berühren auf besondere Weise, durch ihre Tiefe und Ehrlichkeit.
Sie wuchs als jüngstes von drei Geschwistern in Bruchsal auf. Die Musik ist ein untrennbarer Teil ihres Lebens und der Weg, um sich auszudrücken und mit der Welt in Verbindung zu treten.
Schon früh zog es sie nach Berlin und mit dem Beginn ihrer Ausbildung an der “Universität der Künste”, schien alles nur in die „richtige“ Richtung zu gehen. Doch dann kam ein Tag im Sommer 2015, der für sie und ihre Familie alles veränderte. Ihr Bruder erhielt die Diagnose Krebs – leider unheilbar.

Konntest du gleich begreifen, was das für deinen Bruder, deine Familie und letztlich für dich bedeutet?
Begriffen habe ich es zum Teil bis heute nicht. Wie kann man auch verstehen, dass ein Mensch todkrank ist und stirbt? Ich glaube, dass kann niemals in den Kopf reingehen, auch wenn ich das schon irgendwie verstanden habe.
Er hatte vorher schon diverse Untersuchungen und plötzlich hieß es: „Da ist irgendetwas nicht okay, kommt bitte vorbei.“ Dann sind wir alle zu ihm gefahren, wo wir dann die endgültige Diagnose bekamen.

Ab diesem Tag war alles anders. Konntet ihr darüber und was auf euch zukommt, sprechen?
Ja, auf jeden Fall, auch wenn natürlich schwer zu begreifen war, was überhaupt auf uns zukam. Mein Bruder war erst mal kein so krass emotionaler Mensch, so wie ich es als Künstlerin bin. Außerdem bin ich seine kleine Schwester und denke, dass er mich trotz allem beschützen wollte. Auch mit seiner Krankheit wollte er noch der große, starke Bruder für mich sein und selbst in dieser Situation sind wir da nicht raus gekommen – was ja auch gut ist und was ja auch immer ein Stück weit so sein sollte. Als Ansprechpersonen in Krisen hatte er eher seine Freundin und seine Kumpels. Mich als kleine Schwester wollte er da eher noch ein bisschen bewahren.

Was war Robin für ein Typ Mensch? Magst du ihn beschreiben?
Er war total liebevoll, total zugewandt und sehr lebensfroh. Robin hat sich auch immer um alles gekümmert. Er hat Medizin studiert, war ein Macher und ein Helfer. Mein Bruder war immer für alle da und hatte auch immer einen guten, lustigen Spruch auf den Lippen. Das vermisse ich am meisten. Wie jede Familie haben wir auch unseren eigenen Humor. Die Erinnerung an die Zeit und was die Krankheit mit meinem Bruder gemacht hat, tut mir noch immer wahnsinnig weh und doch hatten wir auch witzige Momente. Wir sagten oft so etwas wie: „Pass auf, davon kriegt man Krebs.“ Irgendwie half es uns, diese unfassbare Situation mit etwas Ironie und eine Form von Leichtigkeit zu sehen.

Gab es in dieser Zeit etwas, was du dir von deinem Umfeld gewünscht hättest?
Oh, das lässt sich jetzt so schwer sagen. Ich war wie in einem Schock Delirium. Da funktioniert man einfach nur und versucht irgendwie den Tag zu überstehen. Du guckst, dass alle irgendwie alle paar Stunden mal was essen, dass man irgendwie okay ist und man das Beste daraus macht. Also da hab ich gar nicht so krasse Ansprüche, was ich jetzt von wem erwarte. Wir haben es, glaube ich, schon ganz gut gemacht. Ich sehe jetzt im Nachhinein, dass jeder, auch meine Mama und mein Papa einen eigenen Weg haben, damit umzugehen. Es ist gerade für Eltern eine der übelsten Ausnahmesituationen, das eigene Kind in den Tod zu begleiten. Von daher passt das schon alles so, wie es war.

Wie war die letzte Zeit mit Robin? War es für euch klar, dass es die letzten Tage oder Stunden sind?
Zunächst muss ich sagen, dass Robin noch viel länger lebte, als von den Ärzten vorhergesagt. Obwohl ihm eigentlich nur noch 3 Monate prognostiziert wurden, hat er noch drei Jahre gelebt. Er war zuletzt auf der Palliativstation im Krankenhaus und das sagt ja auch schon alles. Und gleichzeitig war es für uns nicht ganz klar, wie lange er dort noch macht. Viele Leute im Krebs-Endstadium können noch Monate so verweilen. Wir hatten Angst, dass es bei Robin auch so sein könnte und er monatelang nicht mehr aufstehen kann und nur leidet. Seine Tage waren in der Zeit sehr wechselhaft, mal ging es ihm ein bisschen besser, mal ein bisschen schlechter. Ich habe natürlich keine eigenen Vergleichswerte, aber ich glaube, der Abschied ging dann verhältnismäßig schnell. Wir waren in der Zeit alle viel im Krankenhaus und bei ihm.

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Gloria und Robin

Deine Familie lebt in ganz Deutschland verteilt, wie habt ihr das mit der Trauerfeier für Robin gemacht?
Wir hatten zwei Trauerfeiern, eine davon in Lübeck für seine Freundinnen und Freunde, die Uni und seinen Verein. Er war sehr engagiert und aktiv und auch sehr bekannt und beliebt, so wie ich das sehe. Er hatte neben dem Medizinstudium zum Teil auch im Rettungsdienst mitgearbeitet und war auch im Rugby Verein, wo er auch eine Frauen-Rugby-Mannschaft aufgebaut hatte.
Er hatte in seinem Freundeskreis eine Floristin, die das sehr schön gemacht hatte, genauso wie auch der Bestatter, der ihn auch in unsere Heimat Bruchsal überführte, wo er dann beerdigt wurde. Der Uni-Chor hatte innerhalb von 2 Tagen ein Medley aus Robins Lieblingsliedern einstudiert. Das war schon alles wirklich sehr würdig gemacht. Diese Trauerfeier war einfach nur schön und das in aller Traurigkeit.

Ist da die Idee entstanden, wie in deinem Song „Lavendel“, Robin Lavendel auf das Grab zu pflanzen?
Nein, das Lied kam später. Aber ja, ich habe ihm Lavendel auf das Grab gepflanzt. Robin hatte keinen konkreten Wunsch für seine Grabgestaltung, aber Lavendel ist einfach eine schöne Pflanze, sie hat für mich etwas sehr tröstendendes und beruhigendes. Der Song „Lavendel“ entstand erst durch die Beschäftigung mit meinem eigenen Tod, was sich auf Grund meiner Erfahrungen nicht vermeiden ließ.

Nicht nur bei „Lavendel“, sondern auch in deinem Lied „Zwei Leben“ zeigst du sehr offen und ehrlich deine Gedanken und Emotionen. Da ist dieser für mich sehr berührende Satz: „…als wäre ich mir dir gestorben …“
Ja, es heißt: „…ich liege im Bett, als wäre ich mit dir gestorben …“.
Manchmal versuche ich meine Trauer kleinzureden, und sage, dass ich ja auch schon in der Zeit der Krankheit viel Trauerarbeit geleistet habe, einfach weil wir wussten, dass er sterben wird und es ja auch schon über zwei Jahre her ist.
Aber trotzdem passiert es immer noch, dass ich im Bett liege und mich das alles einfach so traurig macht, dass ich am liebsten gar nicht aufstehen würde. Aber mittlerweile kenne ich das und mache mich dann auch nicht mehr runter. Ich weiß jetzt, dass ich dann an den anderen Tagen wieder produktiv und besser drauf bin. Aber es gibt trotzdem immer noch diese Situationen, wo ich echt denke: „Ich will gerade nicht ohne ihn.“
Ich weiß auch, wenn ich mit anderen Trauernden rede, dass zwei Jahren keine Zeit sind. Aber ich bin da auch nicht immer so gnädig mit mir. Ich denke oft: „Es könnte jetzt auch mal wieder besser werden und es könnte auch mal wieder normal weitergehen. Du könntest dich irgendwie wieder zusammenreißen und normal dein Leben im Griff haben, aber es ist eben nicht so einfach.

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Gloria und Robin

Krisenzeiten zwingen einen auch sich neu kennenzulernen. Was hat dich von dir selbst am meisten überrascht?
Ich denke so oft darüber nach. Ich hab zum Beispiel bei seiner Beerdigung in Bruchsal gesungen. Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie ich das geschafft habe. Es war ein selbst geschriebenes Lied, wo es um Vertrauen geht, und um Wunder. Laut den Ärzten und der Diagnose hätte Robin eigentlich nur noch einige Monate gehabt und 2015 nicht mehr überleben sollen, aber er hat doch noch irgendwie drei Jahre gelebt. Er ist mit seiner Freundin noch nach Thailand gereist und mit seinen Kumpels zum Segeln gegangen, hat auch noch irgendwelche medizinischen Scheine gemacht und Rugby gespielt. Das war schon an sich irgendwie das Wunder. Und dann habe ich dieses Lied bei der Zeremonie auf seiner Beerdigung gesungen, obwohl es mir natürlich gar nicht gut ging. Tatsächlich überrascht mich das immer noch im Nachhinein. Und dann, ich denke mir, wenn ich das geschafft habe, und ich habe ja auch große Ambitionen als Sängerin, dann macht mir einfach nichts mehr Angst und ich stelle mich ins Olympiastadion und singe, denn das ist mir egal – ich habe bei Robins Beerdigung gesungen.

Durch den Tod und das Abschiednehmenmüssen relativiert sich vieles im Leben … Wie ist es bei dir?
Ich glaube das auch. Ich habe immer noch so viele Tage, an denen ich einfach noch total durchhänge und traurig bin. Obwohl ich schon eine erfolgreiche Therapie hinter mir habe. Wenn ich mit meiner Mama oder mit den Leuten aus meiner Geschwister-Trauer-Gruppe spreche, dann weiß ich, dass ich nicht alleine damit bin. Trotzdem fühlt es sich in meinem Alltag oft schon so an. Ich bin konfrontativer geworden und traue mich Dinge anzusprechen, die mir nicht passen oder die ich nicht gut finde. Ich bin auch selbst von mir überrascht, wie offen und ehrlich ich in Interviews darüber sprechen kann und dass ich da diese Kraft und das Durchhaltevermögen habe. Wenn ich meine Interviews lese oder Auftritte von mir sehe, denke ich mir: „Wow, das bist du“. Das ist echt so ein Teil in mir, auf den ich sehr stolz bin. Meinen Umgang mit Geld habe ich auf jeden Fall auch relativiert. Ich gebe mein Geld bewusster für mich aus und spende auch einiges für besondere Projekte, die ich unterstützen möchte, und habe aber trotzdem nicht weniger Geld. Zu meiner Lebensqualität gehört auch in Gedenken an Robin gutes Essen. Er hat wahnsinnig gerne gegessen und sehr gut gekocht. Obwohl ich weiß, dass ich noch Studentin und Künstlerin bin und eigentlich wirklich kein Geld habe, um es rauszuwerfen oder zu verschenken, ist es mir genau so total wert.

Du tauschst dich in deiner Geschwistergruppe aus, gibt es weitere Menschen in deinem Leben, mit denen du darüber reden kannst?
Aus meinem Umfeld habe ich schon ein paar Leute, mit denen ich auf jeden Fall immer drüber reden kann. Gerade eine gute Freundin von mir konnte das immer sehr gut nachvollziehen. Vielleicht klingt es ein bisschen ironisch, da sie chronisch depressiv ist, aber trotzdem eine sehr starke, toughe Frau. Sie hatte und hat einen Zugang zu mir und meiner Trauer, die wenig andere Leute haben, auch wenn sie noch keinen ähnlichen Verlust erlebt hat. Vielleicht gerade wegen ihrer chronischen Krankheit, weil Trauer ist ja auch ein bisschen so. Prinzipiell können die Menschen in meinem Freundeskreis sehr gut und geduldig zuhören, wofür ich sehr dankbar bin. Natürlich hat sich mein Freundeskreis durch meine Erlebnisse auch verändert.
Und wie erwähnt, bin ich in einer Gruppe für trauernde Geschwister in Berlin und das ist auf jeden Fall auch ein sicherer Hafen und ein Ort, von dem ich weiß, ich weiß, dass ich da verstanden werde. Dann sind noch die Gespräche mit meiner Mama wichtig, besonders wenn ich mich schlecht fühle und auch wenn ich mich aufrege, weil manche Leute wirklich unsensibel sind. Sie ist dann verständnisvoll und weiß natürlich ganz genau, wovon ich rede.

Weil du unsensible Aussagen erwähnst, was möchtest du auf gar keinen Fall mehr hören?
Dass ich mich doch wieder auf die guten Sachen konzentrieren soll und es Zeit wird, endlich mal loszulassen und nach vorne zu schauen. Das geht natürlich nicht. So wie Robin ein Teil von mir war, ist die Traurigkeit jetzt ein Teil von mir. So bin ich und bin trotzdem eine witzige Person und habe trotzdem auch gute Zeiten.

Bitte vervollständige:
Der Tod ist für mich …

Der Tod ist für mich die eine Freundin, die ich nicht loswerde, egal wie sehr ich es versuche. Manchmal gibt es so eine toxische Freundschaft, über die ich denke: „Eigentlich will ich Zeit mit dir verbringen und eigentlich auch nicht. Und eigentlich hab ich dich total lieb, aber trotzdem ertrage ich nicht, dich so oft zu sehen.“ So eine polarisierende Freundin, die vorbeikommt, den ganzen Raum verwüstet und Glitzer hinterlässt und am Ende weißt du nicht, ob das jetzt gut oder schlecht für dich war. Es ist aber auch schön, sich mit ihr zu beschäftigen.

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Gloria Blau

Gloria hat aus der Trauer um ihren großen Bruder Musik gemacht.

Die CD „Wenn es dunkel bleibt“, der gleichnamige Gedichtband und ihre „Survival Box“ können über den Shop auf ihrer Website heruntergeladen werden.

Gloria Blau ist wild und verletzlich zugleich. Ein Ausnahmetalent mit strahlender Präsenz, einer einzigartigen Stimme und zielsicheren deutschen Texten, die im Kopf bleiben und aufwühlen. Wie selbstverständlich mischt sie Soul, Pop und Chanson und entführt ihre Zuhörer dadurch in ihre ganz eigene Welt aus Worten und Melodien.

Gloria Blau meint es ernst. Sie hat etwas zu sagen und ist gekommen, um zu bleiben.

Glorias neue Single „Blut geleckt“ ist ab sofort überall verfügbar!

Bo Hauer www.naturheilpraxis-wm.de und www.praxisammarienplatz.de

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