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Gedenkplätze

Wo Erinnerungen sichtbar werden

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Wenn man in die Wohnung von Luisa kommt, so fallen direkt die bunten Porzellangefäße auf, die auf einem Regal zwischen ein paar Büchern und Fotografien platziert sind. Als ich zum ersten Mal Luisa und ihren betagten Hund besuchte, stachen sie mir sofort ins Auge. Immer wieder wanderte mein Blick zu diesem wunderschönen Platz an der Wand. Sie bemerkte das und sagte nach einem Seufzen, dass in den Porzellangefäßen die Asche der verstorbenen Vorgänger von Momo, ihrem Hund wäre. Eine wunderschöne Gedenkstätte, wenn man es so benennen möchte. Mitten im Leben, nicht an irgendeinem Platz, sondern im Wohnraum.

Ich selbst habe ein paar Tiere im Garten bestattet, doch als ich zeitweise keinen Garten hatte, wurden die leblosen Hüllen kremiert und die Asche kam zu mir zurück. Ursprünglich standen die Urnen in einem Regal in meinem Arbeitszimmer. Doch seit meinem Umzug warten sie in einem beschrifteten kleinen Karton auf einen neuen Platz. Ich muss gestehen, in dem Moment schämte ich mich ein bisschen, als ich so bei Luisa im Wohnzimmer auf dem Teppich sitze.

Muss es aber unbedingt einen Altar geben? Hatte ich in den Jahren im neuen Zuhause je das dringende Bedürfnis, dass die Urnen aufgestellt werden müssen? Nein! Denn für mich waren und sind meine vorausgegangenen Tiere immer präsent. Sie sind da. Auch ohne Gedenkstätte, ohne Foto. Es erinnert so vieles an sie. Gestern bemerkte ich auf unserem Sofa eine Krallenspur, die dort meine vor 1,5 Jahren verstorbene Katze Mischu hinterlassen haben musste. Ich habe diese Spur noch nie bemerkt … Es war fast so, als wäre Mischu mal eben vorbeigekommen, hätte sie frisch hinterlassen.

Jeder Mensch ist unterschiedlich. Was der eine benötigt, darauf legt der andere keinen Wert. Und das bedeutet nicht unbedingt, dass der eine mehr liebte als der andere. Viel wichtiger ist, dass man selbst mit dem Verlust klar kommt und seinen eigenen Weg findet, damit umzugehen und weiterzugehen.

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Erinnerungen, die unter die Haut gehen

Meine Freundin Corinna trägt beispielsweise ein Tattoo. Es zeigt die Pfotenabdrücke der beiden verstorbenen Kater. Wenn ich für mehr als zehn Kaninchen, eine Katze, zwei Hamster und die vielen Wellensittiche mir ein Tattoo schenken würde, es wäre ein kleiner Zoo unter meiner Haut. Und wenn ich nur ein Tier verewigen würde, hätte ich das schlechte Gewissen, einem anderen das Gefühl zu geben, weniger Wert zu sein. Also habe ich das mit den Tattoos gelassen. Aber es gibt sehr viele Menschen, für die dieser kreative Weg wichtig und richtig ist.

Viele meiner älteren Kunden zeigen mir ein gerahmtes Foto oder aber ein ganzes Album. Hier stehen keine Urnen. Der Tierkörper verblieb beim Tierarzt. Ja, das gab es mal. Das war über viele Jahre völlig normal und wird heute von vielen verpönt. Doch nicht jeder hat einen Platz für den Tierkörper oder aber das nötige Geld, um das Tier bestatten oder einzuäschern lassen.

In meinem Garten gibt es verschiedene Plätze, an denen drei Kaninchen und zwei Katzen liegen. Wer nicht weiß, wo das ist, der würde diese Orte nicht finden. Denn es gibt kein Kreuz, keinen Stein. Es gibt keinen „Friedhof“. Auch hier bin ich sehr anonym, einfach weil ich für mich einen solchen sichtbaren Platz nicht benötige. Früher, als junges Mädchen, wäre mir das sehr wichtig gewesen. Heute leben alle meine Lieben, auch alle Freunde und Verwandten, die nicht mehr unter uns weilen, in meinem Herzen und in Gedanken weiter.

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Der Tod löscht die Liebe und die Erinnerung nicht aus

Ein sehr weiser Spruch, der sehr wichtig für mich wurde und den ich in meine Gespräche mit Menschen, die Abschied genommen haben oder noch nehmen müssen, einbeziehe. Denn egal wie nach dem Ableben der Fellnase der weitere Weg aussieht, sie sind weiter da. Zwar anders, aber immerhin. Wäre es nicht viel schlimmer, wenn es das Tier niemals in unserem Leben gegeben hätte? Dann gebe es keine Erinnerung. Es gebe nichts worum wir heute trauern, was wir vermissen. Unser Herz wäre so viel leerer. Auch wenn das Leben endlich ist, wenn wir irgendwann uns von geliebten Tieren (und Menschen) verabschieden müssen, so wäre es für mich viel schlimmer, wenn es diese gemeinsame Zeit niemals gegeben hätte. Denn sie hat mich bereichert. Und genau das wünsche ich auch von Herzen all jenen, die vielleicht gerade auf so eine Situation zusteuern oder sie durchlebt haben und noch nicht wissen, wie sie mit all dem Schmerz um den Verlust umgehen sollen.

Für Sonja Tschöpe geht es als Tierheilpraktikerin und Tierernährungsberaterin zwar in erster Linie darum, dem Leben der Tiere mehr gesunde Tage zu geben. Doch manchmal ist der Tod die Heilung. Für sie wurde die Sterbebegleitung beim Tier vor 10 Jahren zum Herzensthema, das sie seitdem offen in die Welt hinaus trägt. Für verschiedene TV-Formate, darunter das Haustiermagazin Hundkatzemaus auf VOX, dufte sie dafür bereits vor der Kamera stehen und bildet tierisch Tätige darin aus, wie sie hier auf Tier und Mensch auf dem letzten Lebensabschnitt eingehen können.
Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Düsseldorf, zu der Hund Pipo gehört.

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