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Eine Reise zur anderen Seite

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viaanima

Die andere Seite

Wo und was ist eigentlich diese andere Seite?

Was unterscheidet sie von der Seite, auf der wir uns befinden? Die Seite, die wir kennen?

Sind wir nur ein Umblättern von der anderen Seite entfernt? Scheinen Teile dieser anderen Seite schon zu uns durch, wenn wir sie gegen die Sonne und ins Licht halten?

Jeder Satz, den wir über den Tod sprechen oder schreiben oder denken, endet mit einem Fragezeichen. Lohnt es sich, darüber zu sprechen, zu schreiben, zu denken, wenn letzten Endes alles Spekulation ist, bis sich das Blatt wendet?

Ich denke, ja.


Wo geht es hin?

Wir können nicht umblättern, einen Blick auf die andere Seite werfen, um dann zurückzublättern und davon zu erzählen. Die Geschichte, die wir schreiben, lässt sich nur auf eine Art und Weise lesen: Eine Seite nach der anderen. Wir können nichts überspringen, keine Seite auslassen.

Doch wir können spekulieren, wo es hingeht. Wir kennen die Richtung, den genauen Weg vielleicht noch nicht, aber wir kennen das Ziel. Ja, ich schreibe bewusst nicht „Wir kennen das Ende nicht“, denn wer weiß, ob es ein Ende ist. Ich weiß es nicht.

Das Schweigen brechen

Über etwas zu reden bedeutet, den Schleier der Angst zu lüften. Worauf wir das Licht richten, liegt nicht mehr in Dunkelheit. Ich war schon immer der Meinung, dass nichts mehr Unsicherheit und Angst schürt, als über etwas zu schweigen.

Durch Schweigen verschwindet weder die Sache selbst, noch die Angst davor. Ganz im Gegenteil. Je mehr wir schweigen, desto mehr Raum bekommt diese Sache in unseren Köpfen und desto mehr Furcht wabert um dieses Thema.

Ja, es stimmt. Wir scheinen weniger über den Tod zu wissen als über das Leben, aber das bedeutet für mich nur, dass wir mehr über den Tod reden müssen.

Der Tod gehört dazu

Wir sprechen über den Tod, als wäre er getrennt vom Leben. Als stünde er in einem anderen Buch als dem, das wir gerade lesen. Das tut er nicht. Er mag nur wenige Seiten entfernt sein oder vielleicht mehrere Kapitel, doch er ist Teil dieses Buchs, dieses Lebens.

Niemand würde sagen, dass unsere Geburt nicht Teil unserer Geschichte ist. Sie ist gewissermaßen die Exposition der Erzählung, die unser Leben ist. Der Tod ist nichts anderes als der Schlusssatz auf der letzten Seite. Der anderen Seite.

Geht es danach weiter? Gibt es einen zweiten Teil zu dieser Buchserie?

Vielleicht. Wieder ein Haufen Fragezeichen.

Neugierige Fragen sind das, was wir brauchen

Fragen machen neugierig und ich denke, das ist es, was wir brauchen. Mehr Fragen, mehr Neugier gegenüber dem Tod und weniger Schweigen und Angst.

Wir wissen, dass Geschichten irgendwann enden, zumindest vorerst. Auch unsere wird zumindest vorerst irgendwann einmal enden.

Wodurch wird diese Geschichte spannend?

Erstens dadurch, dass wir nicht wissen, wie wir bis dorthin kommen. Jeder Autor, jede Autorin steht vor dieser Frage. Wie komme ich von A nach B? Was passiert dazwischen? Wir haben die Chance, zu Entdeckern und Entdeckerinnen unserer Geschichte, unseres Lebens zu werden.

Zweitens wird diese Erzählung dadurch spannend, dass wir weitergehen können, über das bereits Geschriebene hinaus. Noch nie in meinem Leben habe ich ein Buch gelesen und mich danach nicht gefragt, wie es weitergehen könnte. Was mit den Figuren geschieht. Wie es für sie weitergeht. Wie die nächste Seite aussehen könnte, wenn es eine gäbe.

Was wenn es eine gäbe?

Was würde dort geschehen? Wo würde die Szene stattfinden? Wer sind die handelnden Figuren?

Fragen über Fragen, die uns vielleicht nicht der Antwort näherbringen, doch uns, wenn wir uns wagen, sie zu stellen, weiter vom Schweigen und weiter von der Angst entfernen. Und ich denke, das ist es, was wir anstreben sollten. Das ist es, was ich anstrebe.

Mein Name ist Jennifer Otte.
Ich bin 24 Jahre alt. Meine Mutter nahm sich das Leben, als ich sechs Jahre alt war. Knapp zehn Jahre später starb mein Vater infolge einer Krebserkrankung im Hospiz. Ich rede offen über meine Erfahrungen mit Trauer und Verlust, sowohl auf Social Media als auch in meinem Podcast „Vom Lieben und Loslassen“.
Der Podcast ist mein Herzensprojekt. Dort spreche ich allein, aber auch mit Interviewgästen über den Tod, Trauer und das Loslassen. Ich möchte damit einen Ort schaffen, an dem wir uns gemeinsam erinnern, lachen und weinen und unsere Trauer teilen können.

Momentan studiere ich noch Germanistik, Französisch und Bildungswissenschaften. Daneben biete ich nach und nach Trauerbegleitung in verschiedenen Formen an (Onlinekurs, Gruppen, Einzelbegleitung (momentan alles online)).

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