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Corona Trauer

Johnson auf Pixabay
Johnson auf Pixabay
Spezial

Im Moment dreht sich die Zeit anscheinend schneller als meine Gedanken mitkommen. Jeden Tag eine neue Nachricht. Eine neue Zahl. Ein neuer Kommentar. Eine neue Idee. Ein neuer Augenblick. Ein neues Leben. So viele Stimmen um mich herum.

Abschied

Jeden Tag ein neuer Abschied von irgendwas.
Einem Lebenstraum. Dem Besuch bei meinem Enkel. Die Mama meiner Freundin nicht verabschieden zu könne. Eine positiv gestimmte Bekannte. Freude auf den Urlaub. Vertrauen in die Zukunft. Umarmende Begegnungen. Und dabei irgendwie überleben.

Ungewisse Zukunft

Warum? Wieso ich? Wie soll ich das schaffen? Ich habe doch alles gemacht, was verlangt wurde. Wie lange noch? Ich schaffe das nicht. Was ist nächstes Jahr?

Einsamkeit

Ich fühle mich so allein. Ich vermisse Freunde, Kollegen, Familie, Spontanität. Traurigkeit über nicht gelebte Wärme in vielfältigen Berührungen. Ich weiß nicht wohin. Keiner ruft an.

Wut

Wut empfinden – über „die Regierung“. Oder „die Chinesen“. Oder „die Jugend“. Oder „die Alten“. Hauptsache irgendeiner ist schuld, an dem ich mich abarbeiten kann. Hauptsache irgendjemand ist verantwortlich für meine Misere, meinen Zustand, meine Gefühle. Irgendjemand ist schuld, dass ich hämisch, höhnisch, sarkastisch werde. Dass ich depressiv werde und nicht mehr weiterweiß.

Nicht wahrhaben wollen

Das ist eine Verschwörung. Wir sollen gefügig gemacht werden. Sie belügen uns. Es stimmt nicht. Alles wird falsch erzählt. Es ist nicht, wie es ist. Es ist anders, bestimmt.

Zukunftsangst

Jeden Tag aufs Neue…Leben mit der unbekannten neuen Zeit. Mit der Gewissheit, ich habe es so nicht gewollt. Mit der immer wieder hochkommenden Angst vor der Zukunft, die scheinbar so klar war. Mit der Unfähigkeit, mich Veränderungen hinzugeben. Mit dem Klammern an „wenn es wieder wie vorher ist“. Lähmendes stehen bleiben.

Anpassen

Begreifen, dass es unabänderlich ist. Der Versuch, im hier und jetzt zu leben. Annehmen, akzeptieren, atmen. Hier vor mir sehen was alles noch da ist. Meine Gedanken, die ich lenken kann. Mein Körper, der mich in den Herbstwald trägt. Den Arzt, der sich immer um mich kümmert. Die Nachbarin, die immer freundlich grüßt. Mein Hund. Die Liebe meiner Kinder, meiner Freunde. Das weiche, warme Bett. Dankbar sein.

Dem Geschehenen Sinn verleihen

Ich bin ruhiger geworden. Der Kalender ist leerer. Das Telefon hat eine neue Bedeutung gewonnen. Venedig will keine Kreuzfahrtschiffe mehr. Ich kann den Fernseher jederzeit abschalten. Opa zoomt jetzt mit seinem ersten Urenkel. Der Wald ist mein Freund geworden. Ich kann mit mir alleine sein.
Ich bin so reich. Ich bin glücklich. Ich bin gewachsen. Ich bin dankbar. Es gibt neue Ansichten und Einsichten. Mehr Bedeutung im Alltäglichen.

Zuversicht

Ich glaube wieder. An etwas Größeres. Dass es das Leben gut mit mir meint. Dass es irgendwann wieder aufwärts geht. Weil jede Nacht einmal zu Ende geht. Dass Neues entstehen darf. Ich glaube an den Augenblick. Ich vermeide negative Zukunftsvisionen. Ich habe gelernt. So viel. Über mich, das Leben. Was ich alles schaffe, wenn alles zusammenbricht. Welche Ressourcen in mir sind. Nachhaltigkeit hat eine neue Bedeutung für mich.

Loslassen

Loslassen heißt nicht vergessen. Loslassen heißt, einen neuen Platz geben, um Anderem Platz zu verschaffen. Freunde zum Beispiel, weil ich keine Kompromisse mehr mache. Jammern, weil mich Dankbarkeit viel glücklicher macht. Lebensvisionen, weil andere jetzt besser zu mir passen. Angst, weil ich viel mehr in mir habe, als ich dachte…

Lebensbegleitung in Coronazeiten ist Trauerbegleitung. Wir können es wahrnehmen, annehmen, aktiv sein. Oder ausblenden, wütend, depressiv sein.

Wir haben es in der Hand. Immer. Es so wichtig, zu begreifen, was Selbstermächtigung bedeutet. Wir haben immer die Wahl, wie wir mit Veränderungen, Abschied, und den Gefühlen dazu umgehen. Wir haben in der Hand, ob wir Hilfe holen oder alleine damit bleiben wollen. Wir haben in der Hand, ob wir uns für Annahme oder Verweigerung entscheiden.
Und wir haben in der Hand, ob wir uns dafür entscheiden, glücklich zu sein. Ja, es ist unsere Entscheidung. Jeden Tag aufs Neue dürfen wir sie fällen.

Es gibt so viel zu tun, wenn wir uns der Verantwortung stellen wollen, was aus dieser Gesellschaft wird. Es geht um so viele neue Ideen, Lösungen. Es geht ums machen. Altes ist gestern. Vieles wird uns morgen nicht mehr helfen.

Wir müssen endlich über Abschiede reden, und wie wichtig sie von Kindesbeinen an sind. Über Gefühle, und wie einzigartig und wertvoll sie unser Leben nach vorne bringen. Über Tabus, und dass es verdammt nochmal an der Zeit ist, sie bewusst zu brechen. Über Hilfe für Trauernde, die kaum noch Gruppen finden und anders abgeholt werden müssen. Über den Livstream der Beerdigung und virtuelle Trauergruppen. Über neue Ideen zum Abschied nehmen. Über Jungs, die weinen dürfen und Mädchen, die schreien.
Und dass Trauer und Lebensfreude eben KEIN Widerspruch ist.
Und da ist sie wieder, meine Vision. #traudich.

Ich werde nicht still sein. Bis es soweit ist.

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